Italien: G-8-Gipfel:Berlusconi und das Tête-à-Tête mit den Wanzen

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Silvio Berlusconi im Kleinkrieg mit der internationalen Presse - und nun auch noch unter Lauschverdacht: Die Entourage des italienischen Premiers soll Konferenzteilnehmer des G-8-Gipfels abgehört haben.

Jannis Brühl

Silvio Berlusconi bleibt dieser Tage wenig erspart. Die jüngste schlechte Nachricht kam ausgerechnet von der Gattin jenes Staatschefs, der in Sachen Selbstverliebtheit am ehesten mit Berlusconi mithalten kann: von Carla Bruni-Sarkozy.

Auch während des G-8-Gipfels reißt die Serie schlechter Nachrichten für Silvio Berlusconi nicht ab. (Foto: Foto: dpa)

Die Ehefrau des französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy sagte kurzerhand das "Damenprogramm" im Rahmen des G-8-Gipfels ab. Sie trifft erst später im Tagungsort L'Aquila ein. Laut der Zeitung Le Figaro will sie sich damit von den Eskapaden des italienischen Premierministers distanzieren.

Brunis Absage dürfte noch das geringste PR-Problem Berlusconis sein. Während er an der Seite der deutschen Kanzlerin Angela Merkel im Erdbebengebiet um L'Aquila den unerschütterlichen Helfer in der Not gibt, nehmen die diplomatischen Erosionen im Umfeld des G-8-Gipfels zu. Seine Untergebenen müssen sogar peinliche Abhörgerüchte dementieren.

Dabei wollte sich der Cavaliere Italien und der Welt als Staatsmann de luxe präsentieren. Nach Scheidungskrach, Korruptionsskandalen, Frauengeschichten und Gartenspielen wollte der Ministerpräsident die drei Gipfeltage nutzen, um endlich wieder Pluspunkte in der Öffentlichkeit zu sammeln.

Doch dann störte eine bizarre James-Bond-Nummer das Abruzzen-Idyll: Die italienische Delegation soll erwogen haben, die Gespräche zwischen anderen Staats- und Regierungschefs abzuhören. Laut der Zeitung Financial Times gab es Pläne, die Gastgeberrolle auszunutzen und Tonverbindungen zu installieren, um den Inhalt von Gesprächen ohne italienische Beteiligung zu erfahren.

Die Italiener hörten angeblich mit

Weil von den Verhandlungen nichts an die Öffentlichkeit dringen soll, nehmen an den Gesprächen nur die jeweiligen Staats- und Regierungschefs teil, begleitet von ihren Sherpas. Diese Unterhändler sind bereits im Vorfeld der Gipfel mit den Vorverhandlungen betraut. Die einzigen Sätze, die aus diesen Treffen nach draußen dringen, werden mit digitalen Stiften direkt an andere Delegationsmitglieder übermittelt. Tonaufnahmen und Notizen auf Papier sind streng verboten.

Die ausgeschlossenen Diplomaten können die Gespräche zwar in anderen Zimmern auf Video verfolgen, allerdings ohne Ton - und mit schwarzen Balken über den Mündern der Gefilmten. Auch Lippenleser sollen keine Chance haben. Mit eigenen Mikrofonen hätten Berlusconis Lauscher also gegen das Gipfelprotokoll verstoßen.

"Erzählt den anderen Delegationen nichts von unserer Anlage, sonst wollen sie alle eine," soll es in einem internen Dokument heißen. Nur die Tatsache, dass der Plan der Zeitung bekannt wurde, und die Bedenken einiger Offizieller, die Aktion könnte den Tatbestand der Spionage erfüllen, hätten die Installation letztlich verhindert.

Trotzdem haben am Mittwoch, so Financial Times, italienische Berater über Kopfhörer in anderen Zimmern mitgehört. sueddeutsche.de bestätigte der Korrespondent der angesehenen Wirtschaftszeitung dies nochmals.

Berlusconis Sprecher Marco Ventura dementiert den Bericht: Der Ministerpräsident werde über die digitalen Stifte der Sherpas informiert wie jeder andere auch. Einen geheimen Kanal gebe es nicht.

Auch an anderer Front droht dem schwächelnden Machiavelli im Amt weiterer Imageschaden. Vor wenigen Tagen erst hatte er der Sunday Times eine "krankhafte Kampagne" vorgeworfen, weil sie eine Veröffentlichung jener Bilder angekündigt hatte, die offenherzige Partyszenen in der sardischen Villa Berlusconis zeigen. Jetzt hat Berlusconi auch noch einen Kleinkrieg mit einer weiteren britischen Zeitung angefangen: mit dem altehrwürdigen Guardian.

Selbst wenn viele die liberale Ausrichtung des Blatts ablehnen, bezweifelt niemand die Qualität seiner Autoren - außer Silvio Berlusconi. Er nannte das 1821 gegründete Traditionsorgan eine "kleine Zeitung", die einen "kolossalen Schnitzer" begangen habe: Der Guardian hatte anonyme Mitglieder von G-8-Delegationen zitiert, die Italien für unfähig erklärten, den Gipfel auszurichten. Mehr noch, in den vergangenen Wochen hätte die US-Regierung hinter den Kulissen die Initiative an sich gerissen und die Treffen der Sherpas organisiert.

In Washington hatte man angeblich Angst bekommen, dass der Berlusconismus zum ergebnislosen Katastrophengipfel führen könnte.

Auch andere Mitglieder der Regierung Berlusconi ließen sich von dem Artikel provozieren: Außenminister Franco Frattini bezeichnete den Bericht als "Nonsense".

Er hoffe, "dass der Guardian von den großen Zeitungen der Welt verstoßen" werde. Der Guardian wiederum zitierte Frattinis Worte genüsslich und verwies in einem Kommentar darauf, dass mittlerweile auch die New York Times Italien "nicht zu entschuldigende Nachlässigkeit bei der Planung" vorwirft.

Peinliche Pressemappe

Wenn sich selbst die Publikation aus Manhattan wegen ihrer Berlusconi-Kritik für den Kreis der "großen Zeitungen" disqualifiziere, müsse das ja tatsächlich ein sehr exklusiver Klub sein, höhnt der Guardian.

Die medialen Scharmützel gehen weiter: Der Guardian spricht Italien mittlerweile offen die Berechtigung zur G-8-Mitgliedschaft ab. Schließlich könne ein Land keine Führungsrolle in der globalen Wirtschaft für sich beanspruchen, das im Korruptions-Ranking der Organisation Transparency International für westeuropäische Verhältnisse relativ schlecht abschneidet und dessen Politiker in Sachen Vertrauenswürdigkeit noch hinter Staaten wie Aserbaidschan, Senegal und Sierra Leone landen.

Als wäre all das nicht genug, unterlief der US-Regierung auch noch ein Fauxpas in der Pressemappe. Schon beim G-8-Gipfel vor einem Jahr hatten die Amerikaner ihn als Regierungschef vorgestellt, der von vielen in seinem Land gehasst und als "politischer Dilettant" angesehen werde. Diesmal wurde Berlusconi unfreundlich knapp als "Italiener, Politiker, Unternehmer, Ministerpräsident" präsentiert und mit wenigen biographischen Daten abgehandelt.

Der türkische Ministerpräsident Tayyip Erdogan wurde dagegen groß auf zweieinhalb Seiten präsentiert - sein Land ist nicht einmal G-8-Mitglied.

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