Italien:Freispruch für Andreotti

Das höchste Berufungsgericht Italiens hat den früheren Ministerpräsidenten Giulio Andreotti von dem Vorwurf freigesprochen, vor 24 Jahren den Mord an einem Journalisten in Auftrag gegeben zu haben.

Andreotti war im November 2002 in einem Berufungsverfahren als Drahtzieher des Mordes an dem Journalisten Mino Pecorelli zu 24 Jahren Gefängnis verurteilt worden. Die Richter schlossen am Donnerstag zudem eine Wiederaufnahme des Prozesses endgültig aus.

Das Urteil kam nicht überraschend: Die Generalstaatsanwaltschaft hatte bereits am Vortag die Mordanklage fallen gelassen und "aus Mangel an Beweisen und Tatmotiven" den Freispruch des 84-jährigen Senators auf Lebenszeit gefordert. Auch der wie Andreotti wegen des Mordes zunächst zu 24 Jahren Haft verurteilte Mafia-Boss Gaetano Badalamenti wurde von dem Kassationsgericht in Rom in letzter Instanz freigesprochen.

Ein Gericht in erster Instanz hatte den heute 84-Jährigen bereits vom Vorwurf freigesprochen, 1979 die Mafia mit der Ermordung des Journalisten beauftragt zu haben. Das Verfahren gegen Andreotti dauerte rund zehn Jahre.

Freispruch erwartet

Der Freispruch durch das Kassationsgericht am Donnerstag war erwartet worden, nachdem Generalstaatsanwalt Gianfranco Ciani am Vortag den Freispruch beantragt hatte. Es gebe keine Beweise und kein Tatmotiv, gab er als Grund an. Auch der mitangeklagte Mafia-Boss Tino Badalamenti sei freizusprechen. Das Kassationsgericht schloss sich dieser Argumentation an.

Pecorelli wurde 1979 in Rom ermordet. Die Staatsanwaltschaft ging gegen den Richterspruch in Berufung. Andreotti wurde daraufhin im November 2002 in Perugia zu 24 Jahren Haft verurteilt. Die Berufungsrichter sahen es als erwiesen an, dass er Pecorelli aus dem Weg räumen ließ. Als Motiv werteten sie, dass der Journalist im Zusammenhang mit der Entführung und Ermordung von Aldo Moro durch die Roten Brigaden belastendes Material gegen Andreotti zusammengetragen habe. Moro galt als Andreottis Gegenspieler innerhalb der Christdemokratischen Partei.

Im vorangegangenen Prozess hatte es dagegen geheißen, Andreotti habe den Mord in Auftrag gegeben, weil der Journalist Dokumente veröffentlichen wollte, die den siebenmaligen Regierungschef belastet hätten. Die Staatsanwaltschaft der mittelitalienischen Stadt Perugia hatte sich auf Äußerungen von Mafiosi gestützt, die mit der Justiz zusammenarbeiten.

Andreotti, der stets seine Unschuld beteuert hat, hatte gegen das Aufsehen erregende Urteil im Vorjahr Berufung eingelegt und die Haftstrafe nicht antreten müssen. In Italien gelten Angeklagte bis zum Spruch des Kassationsgerichts als unschuldig. "Ich wusste, dass das so enden würde", erklärte Andreotti nach dem Urteil des Kassationsgerichts.

In einem anderen Berufungsverfahren im Mai in Palermo war Andreotti von dem Vorwurf der Zusammenarbeit mit der Mafia freigesprochen worden. Die Richter bestätigten damit ein erstinstanzliches Urteil aus dem Jahr 1999.

Andreotti ist ein "Urgestein" der italienischen Politik. Er war zwischen 1972 und 1992 sieben Mal Ministerpräsident und 21 Mal Minister für unterschiedliche Ressorts. Im Zuge der von der Justiz Anfang der 90er Jahre gestarteten Kampagne gegen Korruption und Mafia-Verstrickungen italienischer Politiker namens "mani pulite" (Saubere Hände), wurde auch ihm der Prozess gemacht.

Andreotti gehörte zu den prominentesten Vertretern der Christdemokratie, die nach dem Zweiten Weltkrieg fast ein halbes Jahrhundert lang in wechselnden Regierungen führend an der Macht beteiligt war.

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