Italiens Finanzminister Tremonti: "Ich hätte besser aufpassen sollen"

Bisher galt Italiens Finanzminister Tremonti als Garant dafür, dass die Schulden des Landes nicht ausufern, Premier Berlusconi auf Sparkurs geht und die Steuerhinterziehung bekämpft wird. Nun gerät er selbst in das Gewirr einer Korruptionsaffäre - wegen dubioser Barzahlungen.

Andrea Bachstein, Rom

"Eine Dummheit" nennt Italiens Finanzminister Giulio Tremonti das, auf was er sich da eingelassen hat. Der Herr über den italienischen Staatsetat gerät immer mehr in den Strudel einer ausgedehnten Korruptionsaffäre und erzeugt neue Peinlichkeiten im Regierungslager von Premier Silvio Berlusconi. Mitten in der schweren Finanzkrise muss der Minister Merkwürdigkeiten bei seinen Mietverhältnissen und seiner Beziehung zu einem ehemaligen Mitarbeiter erklären.

Italy's Minister of Finance Minister Giulio Tremonti looks on during a news conference in Rome

Mitten in der schweren Finanzkrise gerät Giulio Tremonti in den Sog einer ausgedehnten Korruptionsaffäre.

(Foto: REUTERS)

Zudem hat er selbst die Frage aufgeworfen, ob ihn seine eigene Finanzpolizei ausgespäht haben könnte. Bei Ermittlungen gegen andere ist nämlich offenbar herausgekommen, dass Giulio Tremonti, zu dessen Prioritäten der Kampf gegen die Steuerhinterziehung gehört, bis vor drei Wochen jeden Monat 4000 Euro Miete am Fiskus vorbei gezahlt hat. Der Minister räumt ein, dass er einem Mitarbeiter seines Ministeriums das Geld für eine luxuriöse Wohnung regelmäßig in bar übergeben habe. Der wiederum überließ dem Minister dafür 200 Quadratmeter des von ihm in Roms zentraler Via di Campo Marzio angemieteten Wohnraums.

Dieser Mitarbeiter namens Marco Mario Milanese ist inzwischen wegen seiner Verwicklung in eine Korruptionsaffäre, die unter der Bezeichnung "P4" läuft, entlassen worden. Gegen Milanese, einen Abgeordneten der Regierungspartei PDL, liegt ein Haftbefehl wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, Korruption und Geheimnisverrat vor. Milanese befindet sich somit im Visier der Staatsanwälte, die in Neapel und Rom ermitteln. Sie durchforsten ein ganzes Netzwerk von Unternehmern und Politikern, aber auch Geheimdienstleuten. Der Verdacht lautet, dass diese Gruppe über Jahre hinweg mit Geld, Erpressungen und vertraulichen Informationen umfangreich Einfluss nahm auf die Vergabe von Ausschreibungen und Posten in Politik und Unternehmen mit Staatsbeteiligung.

Ein Informant, der selbst verhaftet worden ist und angeblich weiß, von wem wiederum Milanese seine teure Wohnung finanziert bekam, hat auch gegen Tremonti Vorwürfe wegen unlauterer Postenvergabe erhoben. Der Minister hat zu den Enthüllungen über seine Mietverhältnisse erst beharrlich geschwiegen und sich dann unter anderem in einem Brief an die Zeitung Corriere della Sera erklärt. "Ich hätte besser aufpassen müssen", teilte er mit. Er habe aber keine illegalen Gefälligkeiten erhalten und werde wegen der Angelegenheit nicht zurücktreten. "Ich habe es nicht nötig", erklärte der Finanzminister, "Geld zu stehlen und die Italiener zu beklauen." Tremonti teilte mit, ehe er Minister wurde, habe er ein Einkommen von zehn Milliarden Lire gehabt als Steueranwalt und Professor. Für die 4000 Euro, die er jeden Monat "für die zeitweilige Nutzung eines Teils der Immobilie" an seinen Ex-Mitarbeiter bezahlt habe, sei keine Rechnung nötig gewesen. Es habe sich um eine Beziehung "zwischen Privatleuten" gehandelt, so Tremonti. Es handele sich keinesfalls um schwarze Zahlungen, und es gebe auch keine Unkorrektheiten bei diesem Vorgang.

Die Finanzpolizei vernimmt den Personenschützer von Tremonti

Der Grund, weshalb sich der Finanzminister im Februar 2009 auf dieses Untermietverhältnis eingelassen haben will, interessiert die Staatsanwälte dennoch. Der Finanzminister hielt sich nämlich lange keine Wohnung in Rom. Er sagt, bevor er in der Via di Campo Marzio eingezogen sei, habe er in Unterkünften der Guardia di Finanza übernachtet, der seinem Ministerium unterstehenden Finanzpolizei. Doch dann habe er diesen Zustand beenden wollen: Er habe sich kontrolliert, ausspioniert und sogar beschattet gefühlt in der Umgebung der Guardia di Finanza, sagte der Minister.

Das hat nun die Frage aufkommen lassen, warum Tremonti einen solchen Verdacht bisher auf sich hat beruhen lassen. Die Vorstellung, dass der Finanzminister von der Finanzpolizei ausspioniert worden sein soll, findet die römische Staatsanwaltschaft jedenfalls so besorgniserregend, dass sie deshalb nun ein Ermittlungsverfahren aufnehmen will.

In den nächsten Tagen werden voraussichtlich die Personenschützer Tremontis von der Finanzpolizei vernommen werden. Wie es heißt, herrscht bei den "Gelben Flammen", wie die Finanzpolizei wegen ihrer Uniformabzeichen heißt, Befremden über die Äußerungen Tremontis. Aus Kreisen der Finanzpolizei wurde auch die Information lanciert, es sei sieben Jahre her, dass der Finanzminister zuletzt in einer ihrer römischen Kasernen genächtigt habe.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: