Italien:Ein Höhepunkt, nicht mehr

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In den vergangenen Tagen wurden 13 000 Menschen aus dem Mittelmeer gerettet. Das sind viele, aber die Jahresbilanz dürfte die von 2015 nicht übersteigen.

Von Oliver Meiler

Rekord, Boom, Explosion - kein Superlativ scheint gerade groß genug zu sein, um die Anzahl jener Flüchtlinge zu fassen, die zum Sommerende, bei guter Witterung und ruhiger See, ihr Glück wagen und in alten, überfüllten Schiffen in Libyen ablegen und im Kanal von Sizilien gerettet werden. Meist geht den Booten nach kurzer Zeit der Sprit aus, weil die Schlepper sie bewusst nur knapp auftanken. 13 000 Flüchtlinge wurden allein in den vergangenen vier Tagen gerettet, die meisten von der italienischen Küstenwache und der italienischen Marine. Und diese Zahl ist tatsächlich hoch. Gerettet wurden auch zwei Neugeborene, Söhne einer Frau aus Eritrea, fünf Tage alt erst, je eineinhalb Kilogramm leicht, die nach ihrer Ankunft in Lampedusa schnell ins Krankenhaus von Palermo geflogen wurden, wo man sie nun pflegt.

Die womöglich rekordhohe Häufung von Rettungsoperationen in den vergangenen Tagen steht jedoch im Kontrast mit einer anderen Statistik, die das italienische Innenministerium jeden Tag aktualisiert: Sie spiegelt den Andrang für das laufende Jahr und vergleicht die Zahlen mit 2015 und 2014. Und da zeigt sich, dass in den ersten acht Monaten 2016 (Stand 30. August) 7,8 Prozent weniger Migranten über die "Zentrale Mittelmeerroute" nach Europa gelangt sind als im selben Zeitraum des Vorjahres. In absoluten Zahlen: Dieses Jahr waren es bisher 107 089, während es im Vorjahr 116 141 waren. Niemand hatte diesen Rückgang vorhergesehen. Zu Beginn des Jahres, als sich die Schließung der Balkanroute abzeichnete, hieß es gar, dass 2016 für die Mittelmeerroute zum "absoluten Rekordjahr" werden würde. Herumgereicht wurden wilde Schätzungen, sie reichten von 300 000 bis 800 000 Flüchtlingen.

Nun sieht es so aus, als würden die Zahlen für das gesamte Jahr 2016 im Vergleich zu den Vorjahren ungefähr stabil bleiben. Normalerweise ist der September ein intensiver Fluchtmonat; doch danach nehmen die Überfahrten jeweils bis zum Jahresende zusehends ab - parallel zur Verschlechterung der Wetterbedingungen. Von den Migranten, die es nach Italien schaffen, stammen die meisten aus Nigeria (25 Prozent), Eritrea (16 Prozent), Sudan und Gambia (je neun Prozent). Kriegsflüchtlinge aus Syrien, dem Irak oder Afghanistan sind sehr selten dabei. Die statistischen Grafiken des Innenministeriums weisen ihre Zahl nicht einmal aus. Libyen, das ist ganz deutlich, ist der Hub für Migranten aus dem nördlichen und dem subsaharischen Afrika. 82 Prozent aller Reisen über das zentrale Mittelmeer beginnen an den leidlich bis gar nicht kontrollierten libyschen Küsten.

© SZ vom 01.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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