Italien:Wahlkampf in Neapel: Ein Euro für eine Stimme

Italiens Sozialdemokraten suchen in der Stadt einen Bürgermeisterkandidaten. Das Kreuz an der richtigen Stelle wurde offenbar mit barer Münze belohnt.

Von Oliver Meiler, Rom

Alles sieht man nicht auf den Bildern von Fanpage. Aber das, was man darauf sieht, ist schon genug. Videoreporter der italienischen Onlinezeitung haben am vergangenen Sonntag verdeckt gefilmt, wie bei den Primärwahlen des sozialdemokratischen Partito Democratico, der Partei von Premier Matteo Renzi, für die Bürgermeisterwahl in Neapel eigentümlich mobilisiert wurde - mit "monetine", mit kleinen Münzen. Die Szenen gleichen sich: Man sieht da Lokalpolitiker der Partei vor Wahllokalen in Außenbezirken der Stadt, wie sie sich Passanten nähern, die wohl ohne Anreiz eher nicht an der Wahl teilgenommen hätten, und ihnen Geld anbieten für ein Kreuz vor dem opportunen Namen. Offenbar immer einen Euro.

Neapels Staatsanwaltschaft hat nun ein Ermittlungsverfahren eröffnet. Obschon bei diesen Geschichten ja nie klar ist, ob der moralische und politische Schaden nicht viel schwerer wiegt als die strafrechtliche Relevanz. Italiens oberster Korruptionsjäger, Raffaele Cantone, hält solche internen Wahlen einer Partei gar für eine gänzlich private Angelegenheit.

Bereits bei der Abstimmung im Jahr 2011 ging es nicht mit rechten Dingen zu

Etwas anders sieht es der unterlegene Bewerber um die Kandidatur, Antonio Bassolino, eine national bekannte Persönlichkeit, mehrfach Minister gewesen, früherer Bürgermeister Neapels und Präsident der Region Kampanien, 69 Jahre alt. Seit er die Videos gesehen hat, wähnt er sich als Opfer eines "widerlichen Kuhhandels". Bassolino hat nur knapp verloren gegen seine dreißig Jahre jüngere Konkurrentin Valeria Valente, eine Abgeordnete der Partei, die Lieblingskandidatin von Matteo Renzi, eine sogenannte Renziana. Am Ende entschieden 452 Stimmen. Würde man nun all jene Wahlzettel nachträglich für ungültig erklären, die in den fünf Wahllokalen abgegeben worden sind, die unter Manipulationsverdacht stehen, dann hätte Bassolino gewonnen, mit 329 Stimmen Vorsprung. Und so legte er jetzt Berufung ein gegen das Resultat, das er am Sonntagabend noch mit Eleganz akzeptiert hatte.

Entsprechend chaotisch geht es nun zu in der Partito Democratico. Es ist nicht das erste Mal, dass die Methode der basisdemokratischen Primärwahlen, die diese Partei im traditionell politikverdrossenen Italien eingeführt und eingebürgert hat, unschöne Blüten treibt. Es mangelt an klaren Regeln. Und schon einmal, vor den Gemeindewahlen 2011, geriet die Parteifiliale in Neapel in Verruf: Auffällig viele chinesische Stadtbewohner fühlten sich plötzlich und auf vermeintlich unerklärliche Weise angezogen von der Lokalpolitik und standen Schlange vor den Wahllokalen. Die Primärwahl wurde danach annulliert. Die römische Parteizentrale entsandte einen Kommissar nach Neapel, der aufräumen sollte.

Die Linke schaffte es damals nicht einmal in die Stichwahl, so schwer wog der Imageschaden. Bürgermeister wurde Luigi de Magistris, ein ehemaliger Staatsanwalt und Mafiajäger ohne Parteimacht im Rücken. Und dieser Luigi de Magistris, dessen Regierungsbilanz umstritten ist, ist nun wieder Favorit. Trotz allem - und auch wegen der kleinen Münzen der Gegner.

Einer der Stimmenkäufer übrigens rechtfertigte sich anschließend so: "Ja, ich habe einigen Leuten, die kein Geld haben, ein paar Münzen angeboten - aus reiner Höflichkeit."

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