Italien:Der große Verlierer

Die Wahlsieger sind: die Unberechenbaren und die Rechtsradikalen. Die Bürger haben die Reformer abgestraft und die Populisten belohnt. Das wird sich rächen.

Von Stefan Ulrich

Die Italiener haben eine rabiate Wahl getroffen und dabei zwei Sieger und drei Verlierer hervorgebracht. Allerdings sind die Sieger zu schwach, um allein zu regieren, und wohl zu unterschiedlich, um es zu zweit damit zu versuchen. Dem Land steht daher eine lange Regierungsbildung bevor, die noch mühsamer als in Deutschland werden und in Neuwahlen enden könnte. Das heißt: Italien - das größte Sorgenland der EU - verlässt den Reform- und Stabilitätskurs, den es in den vergangenen fünf Jahren sozialdemokratischer Regierung gehalten hat. Es beginnt wieder zu schlingern und könnte so die erbrachten Opfer und erreichten Erfolge vergeuden. Und es könnte die EU, die gerade wieder in Tritt kommt, in die nächste Großkrise stürzen.

Die Bürger strafen die Reformer ab und belohnen die Populisten - das wird dem Land schaden

Doch zunächst zu den Siegern: Erster Gewinner ist die Fünf-Sterne-Bewegung, eine politische Wundertüte, die mit Abstand stärkste Einzelpartei wurde. Sie hat die Wut der Bürger auf den schlecht funktionierenden Staat, die verfilzten Machtstrukturen, auf Korruption, Kriminalität und Armut aufgenommen, verstärkt und insbesondere in Süditalien in viele Stimmen umgewandelt. Allerdings ist unklar, was die Menschen für ihr Votum bekommen. Die Fünf Sterne lehnten bislang Koalitionen ab, liebäugeln nun aber damit. Sie predigen Basisdemokratie, ließen sich aber bis vor Kurzem von dem cholerischen Egomanen Beppe Grillo dirigieren. Sie versprechen gutes Regieren und demonstrieren in der Hauptstadt Rom, wie man schlecht regiert. Sie wollen mal raus aus dem Euro, mal drin bleiben. Ob diese Kraft irgendwann berechenbar und pragmatisch wird, steht in den Sternen.

Der zweite Sieger ist nicht vertrauenswürdiger, im Gegenteil. Die vulgärpopulistische, in Teilen rassistische und europafeindliche Lega unter ihrem Aufpeitscher Matteo Salvini reüssierte vor allem in Norditalien, wo der Wirtschaftsaufschwung der jüngsten Zeit bereits bei den Menschen ankommt und weniger Grund zur Wählerwut besteht als im Süden. Doch die Lega instrumentalisiert famos die Überfremdungsängste der Italiener und verstärkt das nicht unberechtigte Gefühl im Land, bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise von Europa vernachlässigt worden zu sein. So konnte die Lega zur ersten Kraft im rechten Lager werden, das allerdings nicht stark genug zum Regieren ist.

Ein Verlierer ist der vierfache Ex-Premierminister Silvio Berlusconi, der mit seiner Forza Italia auf einmal nur noch auf Rang zwei der rechten Parteien steht. Das ist für den 81 Jahre alten Polit-Magier, der halb Italien so lange verzaubert hat, eine derbe Enttäuschung. Sein Gewicht in den Regierungsverhandlungen wird viel kleiner sein als erwartet.

Verlierer Nummer zwei ist der von Matteo Renzi geführte Partito Democratico, eine leicht links von der Mitte stehende Reformpartei. Sie hat sich - besonders während der Regierungszeit Renzis von 2014 bis 2016 - daran gemacht, das zu tun, was seit Jahrzehnten keine Regierung mehr getan hatte: Italien energisch zu reformieren. Nun macht sich ein Aufschwung bemerkbar. Dennoch haben die Italiener den schwungvollen Renzi zwei Mal brutal abgewiesen. Sie sagten Nein beim Referendum über seine Verfassungsreform, die das Land stabiler und leichter regierbar gemacht hätte. Und sie straften seinen Partito Democratico jetzt mit demütigenden 19 Prozent der abgegebenen Stimmen ab. Renzi kündigte am Montagabend seinen Rücktritt vom Parteivorsitz an. Leichtfertiger hätten die Wähler das politische Potenzial des Landes kaum vergeuden können.

Größter Verlierer dieser Wahl ist daher Italien selbst. Ausgebremst sind die Reformer, die die Missstände im Land wie Massenarbeitslosigkeit, Kriminalität, Verfilzung, eine ineffiziente Verwaltung und ein verkrusteter Arbeitsmarkt angehen wollten. Die Marktschreier, die dem Volk trotz leerer Kassen das Blaue vom Himmel herunter versprechen, dürfen sich dagegen bestätigt fühlen.

Wie eine künftige Regierung aussehen und arbeiten wird, ist völlig ungewiss. Im schlimmsten Fall führen die radikalen Anti-System-Parteien Lega und Fünf Sterne Italien hinaus aus dem Euro und hinein in den Staatsbankrott. Wahrscheinlicher ist, dass das Land sich ohne klaren Reformkurs weiter durchwurstelt, was Italiener meisterhaft beherrschen. Nur: Damit setzt sich der schleichende Verfall dieses eigentlich so begabten, mit großer Geschichte, Kultur, Erfindungsgabe und viel Unternehmensgeist gesegneten Landes fort. Das ist ein Jammer - für Italien und für ganz Europa.

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