Italien:Bruch mit den Ritualen

Die meisten Italiener haben von dem Mann, der das Land regieren soll, noch nie etwas gehört. Die Populisten haben Giuseppe Conte dem Staatspräsidenten regelrecht aufgedrängt - sie halten den Professor für leicht steuerbar.

Von Oliver Meiler

Denkwürdige Dinge passieren gerade in Italien. Das Land erhält einen Ministerpräsidenten, von dem die meisten Bürger bis vor Kurzem noch nie etwas gehört hatten, von dem es auch nur wenige öffentliche Fotos gab. Giuseppe Conte, so heißt der Mann, ist Professor für Zivilrecht, 53 Jahre alt, Süditaliener, stets gut frisiert und elegant gekleidet.

Zum hohen Amt bringt es der "Professore" nur deshalb, weil er politisch schwach ist. Die Populisten von den Cinque Stelle und der Lega, die sich nun anschicken, Italien zu regieren, haben Conte auserkoren, weil er keine Schatten wirft und leicht steuerbar zu sein scheint. Er soll ein Programm umsetzen, an dem er selbst nicht mitgearbeitet hat. Die Kabinettsliste liegt auch schon bereit, er soll sie nur genehmigen. Er soll ausführen, nicht anführen.

Das ist neu für Italien. Die Populisten brechen mit den Ritualen der Republik. Dem Staatspräsidenten, der den Regierungsauftrag normalerweise in aller Autonomie erteilt, drängte man Conte regelrecht auf. Nun kann man nur hoffen, dass der Professor zur politischen Persönlichkeit reift. Idealerweise wird er ein Mittler zwischen Italien und der EU, einer, der auf Gipfeln mit seinen Amtskollegen die scharfen Töne der Populisten daheim mildert. Doch wer weiß das schon? Die meisten Italiener kennen nicht einmal seine Stimmfarbe.

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