Italien:Berlusconis liebster Parteifeind

Der Streit zwischen Gianfranco Fini, dem Präsidenten der Abgeordnetenkammer, und Italiens Premier Silvio Berlusconi sorgt in Rom für Turbulenzen. Sollte er weiter eskalieren, droht ein Bruch der Regierungspartei.

Andrea Bachstein, Rom

Die italienische Regierungspartei Popolo della Libertà (PDL) steht vor der Zerreißprobe. Grund dafür sind die schweren Konflikte zwischen Partei- und Regierungschef Silvio Berlusconi sowie Gianfranco Fini, dem PDL-Mitgründer und Präsidenten der Abgeordnetenkammer. Am späten Donnerstagabend sagte Berlusconi nach einer Sitzung des Parteipräsidiums, Fini und ihm Nahestehende wichen weit ab von der Richtung der Parlamentsmehrheit und des Regierungsschefs. Fini habe nicht mehr das volle Vertrauen in seiner Rolle als Parlamentspräsident.

Pk Berlusconi und Fini zum Wahlausgang

Pflegen eine herzliche Feindschaft: Gianfranco Fini (links) hat die Pläne Von Premier Silvio Berlusconi beim Abhörgesetz durchkreuzt. Berlusconi ist jetzt offensichtlich entschlossen, ihn aus der Partei zu werfen.

(Foto: dpa/dpaweb)

Gegen drei zum Fini-Flügel der PDL gehörenden Abgeordneten soll ein Parteiausschlussverfahren eingeleitet werden. Die Regierungsmehrheit glaube er nicht in Gefahr, sagte Berlusconi der Agentur Ansa zufolge. Fini selbst soll offenbar nur eine Rüge erhalten und nicht aus der Partei ausgeschlossen werden. Finis Anhänger in der Abgeordnetenkammer bereiten sich nun auf die Bildung einer eigenen Fraktion vor.

Von Fini gab es am Donnerstagabend noch keine Stellungnahme. Doch am Vorabend der PDL-Präsidiumssitzung hatte er der Zeitung Il Foglio gesagt: "Hier bin ich, und hier bleibe ich" und bekräftigt, er habe keinerlei Absicht, die Partei zu verlassen. Fini schlug einen Neubeginn der Zusammenarbeit vor, unabhängig von persönlichen Animositäten. Dieses Friedensangebot hat Berlusconi verschiedenen Quellen zufolge als zu spät abgelehnt.

Gewachsene Wut

Seine Wut auf Fini ist in Auseinandersetzungen gewachsen, die weit ins vergangene Jahr zurückreichen. Bereits mehrmals wurde der Bruch vorhergesagt. Der 58jährige Fini ist ein entschlossener Streiter für die strikte Respektierung von Verfassung und Justiz und für eine konsequente Linie der Legalität in Partei und Regierung. Damit ist Fini in den Augen Berlusconis zum größten Hindernis seiner Machtausübung geworden.

Jüngstes Beispiel sind die Entschärfungen im Entwurf für die Abhörgesetze, die Finis Parteigänger in diesen Tagen durchgesetzt haben - auch mit verfassungsrechtlichen Argumenten. Berlusconi wollte sowohl die Möglichkeiten der Staatsanwälte für Ermittlungen deutlich beschränken, als auch die mediale Berichterstattung darüber. Über die Änderung ist der Premier nun so verärgert, dass er die Neufassung für wertlos erklärt hat und erneut in Frage steht, ob der Gesetzentwurf noch vor der Sommerpause zur Verabschiedung kommt.

Unnachgiebig besteht Fini auf seiner Linie auch in Personalfragen und hat damit Berlusconi aufs äußerste erbittert. Gegen mehrere hochrangige PDL-Politiker wird ermittelt, die Verdachtsfälle reichen von Korruption über Wahlmanipulation, Mafia-Verbindungen bis zur Verschwörung gegen Staatsinstitutionen. Andere PDL-Politiker sind kürzlich schon verurteilt worden. Nach Finis Auffassung darf in Partei und Regierung kein Platz für solche Leute sein. Berlusconi hingegen hält so lange wie möglich an Getreuen fest.

Nur widerstrebend ließ er seit Mai die Rücktritte zweier Minister und eines Staatssekretärs wegen Problemen mit der Justiz zu. Jetzt erbost ihn, dass Fini und sein Flügel den Rücktritt des Justizstaatssekretärs und eines PDL-Koordinators fordern, die in Skandale verwickelt sind. Fini gilt für Berlusconi wegen dieser und anderer Fälle, in denen er seine Pläne durchkreuzt hat, endgültig als untragbarer Verräter. Gemeinsam hatten sie im März 2009 die PDL aus der Taufe gehoben. Fini brachte in die neue Partei seine Alleanza Nazionale (AN) ein, Berlusconi seine deutlich größere Forza Italia. Doch praktisch von Anfang an kritisierte Fini den Zuschnitt der Partei auf Berlusconi und forderte mehr innerparteiliche Demokratie.

Die Wandlung des Mussolini-Fans

Auch in Fragen wie Immigration oder gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften vertritt Fini liberalere Positionen als die Parteimehrheit. Dabei hat der studierte Pädagoge politisch als Neo-Faschist begonnen. Nach dem Tod von Giorgio Almirante wurde er Chef der postfaschistischen Partei MSI, die dann in der gemäßigteren AN aufging. Noch Anfang der neunziger Jahre sprach Fini von Mussolini als größtem Politiker des Jahrhunderts. Er bedauert das längst, hat sich von solchen Positionen seither distanziert. Seine Wandlung gilt als glaubwürdig, auch aus der Mitte-Links-Opposition kommt Anerkennung für Finis Linie.

Nun gibt es mehrere Szenarien. Sie hängen auch davon ab, ob es Berlusconi gelingt, Fini in der PDL zu isolieren. Unsicher ist im Moment auch noch, wie viele Abgeordnete und Senatoren Fini folgen würden. Von den Abgeordneten bereiten sich angeblich 34 auf die Bildung einer eigenen Fraktion vor. Dort haben PDL und ihr Koalitionspartner Lega Nord bisher 265 von 630 Sitzen. Unbekannt ist noch, wie viele Senatoren in der zweiten Parlamentskammer Fini folgen würden.

Im Gespräch war auch, dass die PDL sich einen weiteren Partner suchen und 2011 vorgezogene Wahlen ansetzen könnte. Finis erklärtes Ziel ist es, in der PDL zu bleiben. Würde das unmöglich, hat er Strukturen, auf denen er versuchen könnte, eine neue Partei aufzubauen. Zum einen sind das Reste der AN, deren Parteivermögen Fini beim Zusammenschluss nicht in die PDL eingebracht hat. Zum anderen gibt es die Vereinigung seiner Anhänger, Generazione Italia, die bereits Organisationsformen hat, aus denen eine Partei werden könnte.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: