Italien:Belauscht: Wie Berlusconi das Fernsehen lenkt

In einem abgehörten Telefongespräch soll Silvio Berlusconi versucht haben, regierungskritische Sendungen des Staatsfernsehens Rai zu verbieten.

Patrizia Barbera

Silvio der Große schäumt vor Wut: Dass dies in seinem Italien passieren muss! Ein Staatsanwalt in Apulien hat italienischen Medienberichten zufolge Ermittlungen gegen den Ministerpräsidenten des Landes wegen Amtsmissbrauch und Erpressung eingeleitet.

Die Justiz stützt ihre Anklagen, so die Nachrichtenagentur Ansa, auf Abhörprotokolle - die sich aus einem anderen Ermittlungsverfahren ergeben hatten. Der angegriffene Silvio Berlusconi wiederum nennt die juristischen Aktionen gegen ihn einen Skandal. Er vermutet eine Schmutzkampagne der Linken: "Ich bin schockiert. Durch diese Ermittlungen wird gegen das Recht und die Demokratie verstoßen."

Berlusconi wird von der Staatsanwaltschaft des süditalienischen Trani vorgeworfen, in einem Telefongespräch mit Giancarlo Innocenzi, dem Kommissar der unabhängigen italienischen TV-Aufsichtsbehörde Agcom, die Absetzung mehrerer regierungskritischer Programme des öffentlich-rechtlichen Senders Rai verlangt zu haben.

Diese Information will die Staatsanwaltschaft Trani aus einem abgehörten Telefongespräch zwischen Berlusconi und Innocenzi haben.

Das Gespräch wurde im Zuge eines Überwachungsverfahrens gegen Innocenzi zufällig aufgenommen, teilt die Staatsanwaltschaft Trani mit. Dabei ging es um den Verdacht, American Express knöpfe den Kreditkartenbesitzern zu hohe Schuldzinsen ab.

Gegen Berlusconi selbst sei kein Abhörverfahren in Gange, die Aufzeichnung habe sich am Rande des laufenden Ermittlungsverfahren gegen Innocenzi ergeben.

Aufgrund der erlauschten Erkentnisse ermittelt die Staatsanwaltschaft Trani nun allerdings wegen Amtsmissbrauch und Erpressung eines politischen Amtsträgers, also Innocenzis.

Berlusconi betonte daraufhin sofort, dass er sich nicht strafbar gemacht und sich bereits in der Öffentlichkeit kritisch zu den Sendungen geäußert habe. Das italienische Justizministerium untersucht, ob die Ermittlungsmethoden der Staatsanwaltschaft Trani rechtens sind. Mehrere Inspektoren untersuchen den Fall.

In erster Linie soll sich das abgehörte Gespräch zwischen Berlusconi und Innocenzi um die Absetzung der Magazinsendungen Anno Zero und Parla con me gedreht haben.

Anno Zero wird von dem italienischen Journalisten und Schriftsteller Marco Travaglio moderiert. Ihm wurde im Jahr 2009 für seine unabhängige Berichterstattung über das Spannungsverhältnis zwischen Justiz und Politik in Italien und die Skandale Berlusconis bereits der Preis des Deutschen Journalisten-Verbands der Pressefreiheit verliehen.

Berlusconi nannte die Sendung "obszön" und kritisierte gegenüber Agcom-Kommissar Innocenzi zudem die verstärkte Berichterstattung über Oppositionspolitiker Antonio Di Pietro aus.

Aufgehübschte Geschichten

Der Ministerpräsident hat, über seine Vasallen in den Gremien, großen Einfluss auf das Staatsfernsehen Rai. Zudem besitzt er über seinen Konzern Mediaset bekanntlich alle drei großen Privatsender des Landes und den größten Verlag Italiens, die Mondadori-Gruppe in Mailand.

Die Zeitung Corriere della Sera berichtet, die Justiz habe insgesamt 18 Telefonate Berlusconis in der Sache Rai-Fernsehmagazine abgehört. Desöfteren soll er mit seinem Gefolgsmann Augusto Minzolini geplauscht haben, der erst kürzlich aufgrund des Berlusconi-Einflusses Direktor des Rai-Nachrichtenprogramms TG 1 geworden war. Er steht im Ruf, Geschichten über den Regierungschef aufzuhübschen.

TV-Aufseher Innocenzi bestreitet, überhaupt ein derartiges Gespräch mit Berlusconi geführt zu haben: "Ich bin unabhängig. Zu Berlusconi habe ich keine unangemessen engen Kontakte."

Berlusconi soll auch versucht haben, bei Corrado Calabrò, dem Vorsitzenden der Agcom, zu intervenieren.

Anno Zero sowie andere politische Talkshows sind derzeit aufgrund der bevorstehenden Regionalwahlen in 13 der 20 Regionen Italiens Ende März nicht auf Sendung. Der Verwaltungsrat des italienischen Staatsfernsehens Rai will damit vor der Wahl das Fairnessgebot wahren. Bei früheren Wahlen war den Aufsehern dies freilich egal gewesen; ein entsprechender Paragraph wurde ignoriert

Die zeitweilige Absetzung soll jetzt nicht auf das umstrittene Telefongespräch Berlusconis zurückgehen. Nach den Regionalwahlen sind die vier Sendungen dann wieder zu sehen.

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