Italien:Basta auf der Piazza

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Auf den zahlreichen Plätzen des Landes gelten teils absurde Regeln - vor allem für Kinder.

Von Oliver Meiler

Was wäre Italien ohne die Piazza, diese gefeierte Mitte der Städte und Dörfer, diese grandiose Bühne des Lebens und seiner Rituale? Die Bar samt Tabaccaio, der auswuchernde Zeitungsstand, mindestens eine Gelateria, die Kirche, der Barbier, meistens auch das Rathaus - da fließt alles zusammen, Welt und Himmel, da begegnen sich die Generationen noch, da pflegt man den Müßiggang mit sonntäglicher Eleganz. Es wäre jedem Land zu wünschen, dass es seine Städtebauer nach Italien schicken würde, damit sie die Anordnung der zentralen Plätze studierten. Vielerorts lebt die Piazza auch vom architektonischen Vermächtnis aus anderen, barockeren Zeiten. Doch Schönheit ist nur Beilage. Das Ideal sollte das pralle, gesellschaftliche Leben sein. Und das laute Spiel der Kinder.

Ganz alles dürfen die Bambini aber auch in Italien nicht. Sie dürfen sogar immer weniger, wie sie selbst klagen. Auf alles sollen sie Rücksicht nehmen: auf die Ruhe der Betagten und auf die Befindlichkeit der Touristen. Wobei man annehmen darf, dass gerade Besucher aus Nordeuropa am ausgelassenen Leben im Süden ihre Freude haben. Arciragazzi, eine Vereinigung für den Schutz der Kinderrechte, hat eine Initiative begonnen, mit der sie sich gegen die vielen Spielverbote wehrt und die etwas steril gewordenen Piazze zurückgewinnen möchte. Dazu ruft sie die Bevölkerung auf, überall im Land Ordnungsschilder der Stadtpolizei zu fotografieren und die Bilder dann an die Zeitung La Repubblica zu senden.

Die veröffentlicht nun von Zeit zu Zeit eine Auswahl der Verbote - unfreiwillig lustige, vollauf groteske und solche, die seit den Dreißigerjahren gelten und nie revidiert wurden. In Ponzano Veneto zum Beispiel ist es verboten, Schneebälle zu werfen. Steht so auf einem Schild. Im lombardischen Stradella sollen nur geräuschlose Spiele gespielt werden, andernfalls drohen Geldstrafen. Im toskanischen Livorno ist das Seilspringen verboten, die Kinder dürfen da a) einander nicht nachrennen, b) sich gegenseitig nicht anrempeln und c) kein Geschrei veranstalten.

Als besonders ordnungswürdig gilt aber natürlich das liebe Spiel mit dem Ball. In Monteriggioni bei Siena droht die Polizei, Fußbälle für 30 Tage zu konfiszieren, wenn sie aus privaten Hinterhöfen auf die Piazza rollen. In Finale Ligure, an der ligurischen Riviera, gingen sie noch etwas weiter bei der Formulierung des Verbots, und man wäre ganz gerne in der Sitzung dabei gewesen: "Zugelassen", heißt es auf einem Schild auf der Piazza, "ist nur der Gebrauch leichter Bälle und nur für das Flachpassspiel auf engem Raum." Amtlich verordnetes Tiki-taka also, der totale Triumph Pep'scher Spielphilosophie weit ab von München und Manchester - keine hohen Flanken, keine Sombreros, kein Jonglieren. Da braucht es auch keine Bühne mehr.

Verbote gibt es für jedes Alter, aber zum Glück ist es aber mit der Durchsetzung nicht weit her. Aus Palermo hört man, dass ein Polizeierlass bis heute das "öffentliche Haarekämmen und das Vortragen von Serenaden" untersagt. Das Verbot stammt aus Zeiten, als die Herren ihrer Liebsten noch singend huldigten, nicht selten auf der Piazza, wo alles zusammenfließt, das Leben und das Lieben.

© SZ vom 30.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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