Wahlkampf in Italien:Alarmismus nach dem Attentat

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Italienische Kriminaltechniker fotografieren in Macerata einen der Tatorte, an denen der Rechtsradikale Luca Traini auf Migranten geschossen hat. (Foto: Carotti/dpa)
  • Italiens ehemaliger Ministerpräsident Silvio Berlusconi nutzt das Attentat auf afrikanische Flüchtlinge, um Stimmung gegen Migranten zu machen.
  • Dabei spricht er von einer "sozialen Bombe" - und droht Hunderttausenden mit Abschiebung.
  • Über den Täter kommen währenddessen Details ans Licht, die seine rechte Gesinnung immer offenbarer werden lassen.

Von Oliver Meiler, Rom

Nach dem rassistischen Anschlag im mittelitalienischen Macerata, wo am Wochenende ein junger Neofaschist auf afrikanische Passanten schoss, nutzt Italiens Rechte die allgemeine Erschütterung und Verwirrung für eine Kampagne gegen die Immigration. Silvio Berlusconi, Chef der bürgerlichen Partei Forza Italia, schlägt dabei denselben Ton an wie sein Bündnispartner Matteo Salvini von der fremdenfeindlichen Lega.

"Die Immigration ist eine sehr dringende Angelegenheit", sagte Berlusconi in einem Interview. Italien zähle 630 000 Immigranten, von denen nur 30 000 ein Bleiberecht hätten, weil sie vor Kriegen geflohen seien. "Die anderen stellen eine soziale Bombe dar, die jederzeit explodieren kann - sie leben von staatlichen Hilfen oder von Verbrechen." Wenn die Rechte die Parlamentswahlen vom 4. März gewinne, würden alle Einwanderer ohne Asylgrund aus dem Land gewiesen. Alle 600 000.

Die Zahlen sind bestenfalls Schätzungen, eher aber willkürliche Verlautbarungen: Erst vor Kurzem hatte Berlusconi einmal von 460 000 Einwanderern ohne Aussicht auf Asyl gesprochen. Es zählt nur die politische Botschaft, der Kampf um jede Stimme. Studien zeigen, dass vier von zehn Italienern Immigranten pauschal für eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit halten. Vor fünf Jahren waren es zwei von zehn gewesen. Die Rechte schürt die Sorge mit ihrem Alarmismus zusätzlich. Es hat den Anschein, als lieferten sich Berlusconi und Salvini einen Wettlauf, wer der härtere Hardliner sei. Beide glauben, so Stimmen zu gewinnen, um nach der Wahl die Führung im rechten Lager beanspruchen zu können.

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Der Begriff der "sozialen Bombe" schaffte es in alle Schlagzeilen. Die Linke kritisierte Berlusconi dafür scharf. Die Zeitung La Repubblica rechnet vor, dass es den italienisch Staat etwa 2,4 Milliarden Euro kosten würde, wenn er 600 000 Immigranten in ihre Heimat zurückbringen wollte - rein theoretisch wenigstens. In der Praxis sind diese Rückführungen aber auch deshalb kompliziert, weil Italien mit manchen Herkunftsländern keine Rücknahmeabkommen ausgehandelt hat. Aus dem Innenministerium heißt es deshalb, Berlusconis Plan sei eine "Mission impossible".

Unterdessen sind weitere Einzelheiten über den "Pistolero von Macerata" bekannt geworden, wie italienische Medien den 28-jährigen Rechtsextremisten Luca Traini nennen. Bei der Durchsuchung seines Schlafzimmers fand die Polizei unter anderem ein Exemplar von "Mein Kampf", ein Buch über Benito Mussolinis Regime, die "Repubblica Sociale", sowie eine Ausgabe des Hefts "Gioventù Fascista" (Faschistische Jugend) aus den 1930er-Jahren.

Vor den Ermittlern, so hört man, habe Traini gestanden. Er zeigte offenbar keinerlei Reue für seine Tat. Er habe sie alle umbringen wollen, sagte er, um den Tod einer jungen Drogensüchtigen zu rächen. Die 18-jährige Römerin Pamela Mastropietro war vergangene Woche umgebracht worden, nachdem sie aus der Entzugsklinik geflohen war. Noch ist der Mord nicht aufgeklärt, verdächtigt wird ein nigerianischer Drogenhändler, in dessen Wohnung Kleider der Frau gefunden wurden. Der Dealer sitzt nun im selben Gefängnis wie der Neofaschist. Traini drohen fünfzehn Jahre Haft wegen versuchten Massakers mit rassistischem Hintergrund.

© SZ vom 06.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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