Italien:Acht Stunden Verhör

Italien: Denkt nicht ans Aufgeben: Roms Bürgermeisterin Virginia Raggi.

Denkt nicht ans Aufgeben: Roms Bürgermeisterin Virginia Raggi.

(Foto: Giorgio Onorati/AP)

Die Justiz ermittelt gegen Roms Bürgermeisterin Virginia Raggi. Der Politikerin der Bewegung Cinque Stelle werden Amtsmissbrauch und Falschaussage vorgeworfen. Sollte sie verurteilt werden, hat das nicht nur für die Hauptstadt gravierende Auswirkungen.

Von Oliver Meiler, Rom

Wo Virginia Raggi in diesen schwierigen Tagen auch auftritt, überall rufen ihr Journalisten zu: "Und, geben Sie jetzt auf?" Roms Bürgermeisterin von der Protestpartei Cinque Stelle lächelt dann ein bisschen gequält und sagt: "Ich denke nicht daran." Zumindest daran aber darf man zweifeln. Die 38-jährige Anwältin regiert die Stadt erst seit sieben Monaten und bereits wetten alle, Freunde und Feinde, auf ihren baldigen Sturz. Die Skandale und Intrigen in Raggis Umfeld häufen sich, die Stadt mutet gänzlich unregiert an, die Wähler sind enttäuscht. Nun ermittelt auch noch die Justiz gegen Raggi. Man verdächtigt sie des Amtsmissbrauchs und der Falschaussage.

Die Cinque Stelle wollten beweisen, dass sie das ganze Land regieren könnten

Acht Stunden dauerte die erste Anhörung. Die Staatsanwaltschaft hatte sie dafür in eine Kaserne in der römischen Peripherie geladen. So sollten die Reporter in die Irre geführt werden. Doch in Rom spricht sich alles schnell herum. Als Raggi kurz vor Mitternacht die Kaserne verließ, war wieder eine ganze Traube Journalisten da: "Und, wie lange noch?"

Raggi wird vorgeworfen, einen Personalentscheid zugelassen zu haben, der stark nach Nepotismus riecht. Raffaele Marra, einst Personalchef der Bürgermeisterin, soll ihr aufgetragen haben, seinen Bruder Renato, einen Stadtpolizisten, zum Verantwortlichen über Roms Tourismusbehörde zu machen und dessen Salär mal schnell um 20 000 Euro aufzubessern. Im vergangenen Dezember wurde Raffaele Marra wegen einer alten Korruptionsaffäre verhaftet. Die Polizei beschlagnahmte sein Handy, darauf fanden die Ermittler erhellende Chats zwischen Marra, Raggi und zwei weiteren zentralen Figuren der Entourage - der "Quattro amici al bar", "Vier Freunde in der Bar". So nannte sich die Gruppe.

In den Chats, die mittlerweile von allen Zeitungen veröffentlicht wurden, erfährt man unter anderem, dass Marra den Lohn seines Bruders eigenmächtig erhöht hatte. Raggi jedenfalls beklagt sich, er beschädige damit ihren Ruf. Ihre Unterschrift setzte sie dann aber trotzdem darunter. Warum Marra so viel Macht über Raggi besaß, ist bis heute unklar und Stoff für Spekulationen. Man nannte ihn auch den "Rasputin vom Kapitol". Als die Funktionäre der Antikorruptionsbehörde Raggi fragten, wer über die Promotion von Marras Bruder entschieden habe, sagte sie: "Ich ganz alleine."

Sollte sie nun wegen Amtsmissbrauchs oder Falschaussage oder beidem verurteilt werden, würde sie aus der Partei ausgeschlossen, bereits nach einem Schuldspruch in erster Instanz. So steht es in den Statuten. Für ihre Partei Cinque Stelle wäre das eine Niederlage mit unabsehbaren Folgen. In Rom läuft die Hauptprobe: Hier will die Protestpartei allen beweisen, dass sie auch das ganze Land regieren könnte, wenn man sie nur lässt.

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