Israels Premier verlässt Likud:Scharon zieht mit neuer Partei in den Wahlkampf

Nach der Ankündigung von Premier Ariel Scharon, eine neue Partei zu gründen, steht die politische Landschaft Israels vor einer grundlegenden Veränderung. Scharon schickte am Montag sein Austrittsschreiben an den rechtskonservativen Likud-Block, den er 1973 mitgegründet hatte.

"Ich trete aus der Partei aus und gründe eine neue", hieß es nach Informationen des israelischen Rundfunks in dem Brief. Zudem reichte der 77-Jährige seinen Rücktritt ein und ersuchte Staatspräsident Mosche Katzav um Zustimmung zur Parlamentsauflösung, um so eine vorgezogene Neuwahl im Februar oder März möglich zu machen.

Laut Umfragen könnte Scharons neue Partei namens Nationale Verantwortung 28 Mandate erringen. Sie würde damit neben der Arbeitspartei stärkste Fraktion in der Knesset. Der Likud ohne Scharon käme auf nur 18 Sitze. Umfragen zufolge ist Scharon Israels beliebtester Politiker.

Es ist das erste Mal in der Geschichte des Landes, dass ein regierender Ministerpräsident aus seiner Partei austritt. Hintergrund von Scharons Entscheidung ist massiver Widerstand einiger Likud-Abgeordneter gegen den Abzug aus dem Gaza-Streifen im August und September. An der ersten Sitzung der neuen Partei in Jerusalem nahmen mehrere Mitglieder der scheidenden Regierung teil, unter ihnen Finanzminister Ehud Olmert, Justizministerin Zipi Livni, Tourismusminister Avraham Hirschson und Sicherheitsminister Gideon Esra. Scharon wirbt zudem um Spitzenpolitiker der Arbeitspartei, seines ehemaligen Koalitionspartners, unter ihnen Vize-Premier Schimon Peres.

Drei weitere Abstimmungen nötig

Als Richtlinie für seine Politik nannte Scharon nach Angaben von Sitzungsteilnehmern den internationalen Nahost-Friedensplan, der die Gründung eines Staates Palästina vorsieht. Scharons innerparteiliche Gegner begrüßten seinen Schritt. "Die Korruption hat den Likud verlassen", sagte Parlamentarier Uzi Landau. Der Arbeitspartei-Vorsitzende Amir Peretz warnte vor einem Eintritt in Scharons Partei: "Ich rufe alle Mitglieder auf, sich nicht auf Abenteuer einzulassen. Die Arbeitspartei ist Heimat für alle."

Das Parlament beschloss am Montag seine Auflösung. Allerdings sind noch drei weitere Abstimmungen nötig, um den Weg für Neuwahlen zu ebnen. Parlamentssprecher Reuven Rivlin hielt die Abgeordneten dazu an, die weiteren drei Runden an diesem Dienstag abzuhalten. Präsident Katzav sagte, er wolle rasch darüber entscheiden, ob er selbst das Parlament auflöse, jedoch nicht vor Dienstagabend. Scharon hatte seinen Antrag damit begründet, dass mit den Mehrheitsverhältnissen in der Knesset kein ordnungsgemäßes Regieren möglich sei.

Im Fall einer Parlamentsauflösung bleibt Scharon Premier, bis ein Nachfolger gefunden ist. Nach Verkündung der Auflösung hätten andere Kandidaten laut Gesetz drei Wochen Zeit, sich um die Bildung einer Regierung zu bemühen. Ein Erfolg hierbei gilt aber als unwahrscheinlich. Die Legislaturperiode endet regulär im November 2006. Die von Scharon geführte, seit Januar bestehende Koalition mit der Arbeitspartei war am Sonntag endgültig zerbrochen, als ein Parteitag der Sozialdemokraten den Austritt beschloss.

(SZ vom 22.11.2005)

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