Israelischer Soldat Ron Arad:Alles erdenklich Mögliche

Der entführte israelische Soldat Ron Arad soll schon 1995 in libanesischer Gefangenschaft gestorben sein. Premier Netanjahu weist dies empört zurück.

Thorsten Schmitz, Tel Aviv

Das Buch, das derzeit in Israel für Aufmerksamkeit sorgt, trägt einen Politikersatz im Titel. Einen Satz, den Israelis immer dann hören, wenn ein Soldat entführt wird und in Gefangenschaft gerät: "Der Staat Israel wird alles erdenklich Mögliche unternehmen ..." - um den Gefangenen zurück nach Israel zu holen.

Fahndungsplakat nach Ron Arad; AFP

Zehn Millionen Dollar für ein Menschenleben: Eine Plakattafel in der zyprischen Stadt Larnaka stellte noch im Dezember 2005 eine Belohnung in Aussicht für Informationen über den Aufenthaltsort des israelischen Soldaten Ron Arad.

(Foto: Foto: AFP)

Wohlweislich hat der Autor des Buches, der auch international renommierte Geheimdienstexperte Ronen Bergman, den Politikerspruch im Buchtitel nicht vollendet. Denn im Falle des israelischen Luftwaffen-Navigators Ron Arad, von dessen Schicksal das Buch handelt, mag Israel zwar sämtliche Möglichkeiten ausgeschöpft haben. Doch zurückgekehrt zu seiner Frau Tami und der Tochter Juval ist Arad bis heute nicht.

Vor 23 Jahren, am 16. Oktober 1986, war ein israelischer Phantom-Kampfjet über libanesischem Boden abgestürzt. Der Pilot der Maschine war anschließend gerettet worden und lebt in Israel. Der Navigator indes, Ron Arad, geriet in libanesische Gefangenschaft.

Bergman schreibt, dass Arad bereits 1995 in libanesischer Gefangenschaft gestorben sei. Seine These, die er nach Recherchen in 20 Ländern im Buch belegt, hat sofort eine schroffe Reaktion aus dem Büro von Premier Benjamin Netanjahu provoziert. "Bevor es keine stichhaltigen Beweise gibt, gehen wir davon aus, dass Arad am Leben ist." Die Stellungnahme enthält auch den obligatorischen Satz, man arbeite daran, Arad nach Hause zu holen.

"Viele wollten nicht, dass das Buch erscheint", sagt Bergman. Er sei verhört und seine Wohnung durchsucht worden. In Israel scheuten sich daher viele Journalisten davor, über die Arbeit der Geheimdienste zu berichten.

Bergman, der für die Tageszeitung Jediot Achronot schreibt und eine tägliche Nachrichtensendung im Fernsehen moderiert, hat die Veröffentlichung seines Buches durchgesetzt, indem er Israels Geheimdiensten mit dem Obersten Gerichtshof in Jerusalem gedroht hat.

Bereits 2005 war eine Kommission des Militärdienstes unter Leitung des damaligen Chefs des Militärgeheimdienstes, Generalmajor Aharon Farkasch, zu dem Schluss gekommen, dass Arad seit Mitte der neunziger Jahre tot sei. Doch der damalige Premier Ariel Scharon und seine Nachfolger Ehud Olmert und Netanjahu wollten das Ergebnis nicht veröffentlichen lassen. Die Drohung Bergmans, den Gerichtshof anzurufen, hat gewirkt. Der Militärzensor in Israel genehmigte nun die Veröffentlichung des Buches mit der traurigen Botschaft.

Einer der Gründe, weshalb die Premierminister nicht wollten, dass Arad offiziell für tot erklärt wird, hat auch mit einem Grundsatz zu tun. Denn in Israel gilt die Regel, dass ein israelischer Soldat nicht auf feindlichem Gebiet zurückgelassen wird. Ein Soldat gilt solange nicht als tot, solange Israel nicht im Besitz der Leiche ist oder Gewissheit über den Ort seines Grabes hat.

Um Arad zu befreien, soll Israel nach Recherchen Bergmans sogar dem damaligen österreichischen Präsidenten Kurt Waldheim einen Deal vorgeschlagen haben. Arad war nach Informationen des israelischen und des deutschen Geheimdienstes vom Libanon nach Iran verschleppt worden. Falls Waldheim Arad freibekomme, soll Israel dem wegen seiner Nazi-Vergangenheit international isolierten Waldheim angeboten haben, ihn bei dessen Rehabilitierung zu unterstützen.

Tatsächlich reiste Waldheim, der über den Vorschlag zugleich verblüfft und erfreut gewesen sein soll, 1991 nach Teheran. Doch Waldheim kehrte mit leeren Händen aus Iran zurück.

Die Ehefrau von Ron Arad, Tami Arad, brach im Februar erstmals nach 16 Jahren ihr Schweigen. In einem Interview berichtete sie, dass sie bereits 1993 vom Verteidigungsministerium in Tel Aviv unterrichtet worden sei, dass es konkrete Hinweise gebe, dass ihr Ehemann verstorben sei. Zwei Wochen später indes nahm das Ministerium die Aussagen wieder zurück. Die Ungewissheit und die wechselnden Nachrichten über Ron Schicksal seien eine Qual, berichtete Tami Arad. Andererseits "bin ich Realistin genug und weiß, dass noch nie jemand nach 23 Jahren zurückgekehrt ist".

Er habe für sein Buch etwa 400 Interviews geführt, berichtet Bergman, viele Gesprächspartner hätten auf Anonymität bestanden. Er müsse seine Quellen schützen und sagt nur: "Selbst Geheimdienstleute erzählen dir am Ende mehr als du erwartet hast." Die Ermittlungen des Bundesnachrichtendienstes (BND) hätten wesentlich dazu beigetragen, dass die israelische Kommission bereits 2005 zu dem Schluss gekommen war, dass Arad zwischen 1993 und 1997 gestorben sein müsse. Seit 1995 habe es kein Lebenszeichen mehr von Arad gegeben.

Bergman sagt, bei Gilad Schalit indes drehe es sich "nur noch um Monate", bis der vor drei Jahren von der Hamas in den Gaza-Streifen verschleppte israelische Soldat nach Israel zurückkehre. Auf die Frage, was ihn so sicher mache, sagt er: "Weil der BND involviert ist."

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