Israelische Armee:Rückzug aus Bethlehem

Nachdem der nördliche Gaza-Streifen wieder der Sicherheitskontrolle der Palästinenser unterliegt, will das israelische Militär am Mittwoch auch die autonomen Gebieten in Bethlehem verlassen. Für Dienstag wurde ein Treffen von Scharon und Abbas angekündigt.

Die israelische Armee will sich am Mittwoch aus den autonomen Gebieten in Bethlehem und den umliegenden Ortschaften Beit Sahur, Beit Dschala und El Chader zurückziehen. Das erklärte ein ranghoher Palästinenser nach Sicherheitsgesprächen mit den Israelis in Jerusalem. Details sollten am Abend besprochen werden.

Laut israelischem Rundfunk war ein weiteres Sicherheitstreffen für Dienstag geplant. Das ebenfalls angekündigte Treffen von Scharon und Abbas am selben Tag wäre das erste seit dem Dreiergipfel mit US-Präsident George W. Bush Anfang Juni im jordanischen Akaba. Von offizieller Seite gab es zunächst keine Bestätigung für das Gespräch.

Bereits am Sonntagabend hatte sich die Armee vollständig aus Beit Hanun im nördlichen Gazastreifen zurückgezogen und die Kontrolle der palästinensischen Polizei übergeben. Diese soll unter anderem Angriffe mit Kassam-Raketen auf israelisches Gebiet verhindern. Am Montag öffnete die Armee drei Kontrollpunkte an der wichtigsten Verkehrsverbindung des Gazastreifens, der Saladin-Straße.

Damit können Palästinenser erstmals seit zwei Jahren ungehindert die Nord-Süd-Achse zwischen dem Kontrollpunkt Eres und Chan Junis nutzen. Nur die Durchfahrt der jüdischen Siedlung Kfar Darom bleibt für Palästinenser verboten: Sie muss umfahren werden.

Nach fast drei Jahren übernahm die Palästinenserpolizei zudem wieder die Kontrolle über einen Teil des Grenzpostens Rafah zwischen dem Gazastreifen und Ägypten. Es ist das erste Mal seit Beginn der Intifada im September 2000, dass Israel den Palästinensern die in den Osloer Verträgen von 1993 vereinbarte Beteiligung an den Grenzkontrollen erlaubt.

50.000 Orangenbäume vernichtet

Nach dem Abzug der israelischen Truppen beklagten Bewohner von Beit Hanun die Zerstörung des Ortes durch die israelischen Truppen. Ein Sprecher der Stadtverwaltung, Sufian Hammad erklärte, es sei noch zu früh, um das Ausmaß des Schaden festzustellen. Es seien jedoch mehr als 50.000 Orangenbäume vernichtet worden. Augenzeugen berichteten von Dutzenden zerstörten Häusern und schweren Schäden an der Straße nach Gaza. Arbeiter begannen am Montag mit dem Wiederaufbau, sie reparierten Telefonleitungen und räumten Trümmer von den Straßen.

Auf den israelischen Teilabzug - eine der Forderungen des Friedensfahrplans des Nahost-Quartetts - hatten sich Israelis und Palästinenser am Freitag geeinigt. Die Armee hatte den Norden des Gazastreifens nach einer Serie von palästinensischen Raketenangriffen auf Israel vor fast zwei Monaten wieder besetzt.

Gastarbeiter erschossen

Trotz der verkündeten Waffenruhe wurde bei Dschenin im Westjordanland ein rumänischer Gastarbeiter von einem militanten Palästinenser erschossen, als er in der Nähe der Ortschaft Jabed bei Straßenbauarbeiten in israelischem Auftrag tätig war. Zu der Tat bekannten sich die Al-Aksa-Brigaden, die den Waffenstillstand nicht anerkennen. Sie lehne die am Sonntag verkündete Waffenruhe der Fatah sowie der radikalen Gruppen Hamas, Islamischer Dschihad und Demokratische Front für die Befreiung Palästinas (DFLP) ab, erklärte ein anonymer Anrufer. Die El-Aksa-Brigaden sind ein bewaffneter Arm der Fatah-Bewegung von Palästinenserpräsident Jassir Arafat.

Die USA begrüßten die Waffenstillstandserklärungen mit Vorbehalten. "Alles, was die Gewalt reduziert, ist ein Schritt in die richtige Richtung", erklärte die Sprecherin des Weißen Hauses, Ashley Snee. Die Konfliktparteien hätten aber auch eine Verpflichtung, terroristische Infrastruktur abzubauen. Der israelische Außenminister Silvan Schalom zeigte sich skeptisch: "Beim nächsten Terroranschlag sagen die Verantwortlichen, es habe sich um eine Einzeltat gehandelt. Wenn wir von einer tickenden Zeitbombe erfahren und dagegen vorgehen, sagen sie, wir hätten die Waffenruhe sabotiert."

UN-Generalsekretär Kofi Annan äußerte die Hoffnung, dass die Waffenstillstandserklärungen einen "Wendepunkt" in der Gewaltspirale im Nahen Osten einleiteten. Bundesaußenminister Joschka Fischer (Grüne) erklärte, der Rückzug der israelischen Armee und die Übergabe der Sicherheitsverantwortung an die Palästinenser sei ein "wichtiger Schritt zur Umsetzung des Friedensplans des Nahost-Quartetts". Der von EU, UNO, den USA und Russland ausgearbeitete Fahrplan sieht die Gründung eines palästinensischen Staates bis 2005 vor.

Der israelische Außenminister Silvan Schalom betonte inzwischen, die Waffenstillstandserklärungen seien nur zwischen den Palästinensergruppen und der Autonomiebehörde vereinbart worden. Israel sei daran nicht beteiligt. Schalom forderte "im Einvernehmen mit den USA" die "Zerschlagung der terroristischen Organisationen".

(sueddeutsche.de/dpa/AP/AFP)

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