Israel:Zerren um Jerusalem

Die USA wollen die arabischen Länder zu Konzessionen bewegen. Nur so könnte Iran domestiziert werden - doch Israel torpediert diese Bemühungen.

Christian Wernicke

Der Gesandte kommt nicht. Denn niemand mag ihn schicken. Der Präsident persönlich, so raunen Eingeweihte in Washington, habe angeordnet, dass George Mitchell, sein Sonderbotschafter für den Nahostfrieden, vorerst nicht nach Jerusalem reisen darf.

Doch Barack Obama will mehr als nur ein Zeichen setzen. Zwar dient das temporäre Flugverbot für US-Friedensengel Mitchell auch als sehr öffentliches Signal dafür, wie verärgert Washington ist über die israelische Regierung und deren tölpelhaft inszenierte Entscheidung, just während des Besuchs von Vize-Präsident Joe Biden vorige Woche den Neubau von 1600 Wohnungen in Ostjerusalem anzukündigen. Aber Obama will mehr: Er will diese Schwäche der erzkonservativen Regierung nutzen, um Premier Benjamin Netanjahu bittere Konzessionen abzutrotzen.

Bereits am vergangenen Freitag hat Hillary Clinton die Liste amerikanischer Forderungen vorgetragen. In einem so kalten wie konfrontativen Telefonat mit Premier Netanjahu verlangte die Außenministerin, Israel müsse den angekündigten Siedlungsbau sofort stoppen und solle als Geste gegenüber den Palästinensern einige hundert arabische Gefangene freilassen.

Vor allem aber müsse Netanjahu öffentlich bestätigen, dass es in den geplanten "indirekten Friedensgesprächen" keine Tabus gebe. Ein Abzug aus dem Westjordanland, eine Rückkehr palästinensischer Flüchtlinge und auch der künftige Status der heiligen Stadt müsse verhandelbar sein. "Er hat gesagt, ihm sei es ernst bei diesen Friedensgesprächen", sagt ein hochrangiger US-Diplomat, "genau das testen wir."

Nahostfrieden und Nuklearwaffen

Nicht allen in Washington gefällt diese Gangart. Nachdem Clinton wie auch Obamas engster Berater David Axelrod im Fernsehen geschimpft hatten, Israel habe "die Vereinigten Staaten beleidigt", begann in Washington eine Schlacht um Jerusalems Zukunft: Nicht nur Republikaner wie John McCain werfen Obama vor, er beschädige die Beziehungen zu einem engen Alliierten. Auch der unabhängige Senator Joe Lieberman, ein gläubiger Jude, stellte sich gegen das Weiße Haus. Und mit der Hinterbänklerin Shelley Berkley positionierte sich am Dienstag auch eine erste Demokratin offen gegen die Regierung.

Sätze sind gefallen, wie sie seit Sonntag auch führenden Organisationen der Pro-Israel-Lobby verbreiten. Statt Netanjahu zu schelten, so verbreiten sie, solle Obama sich lieber dem Nahostfrieden im Allgemeinen zuwenden und insbesondere "die rasante Jagd Irans nach Nuklearwaffen" stoppen.

Wenn alles mit allem zusammenhängt

US-Diplomaten argumentieren, dass Obama genau dies versuche. Unmittelbar nach dem Eklat um den Bau neuer jüdischer Siedlungen warnte das Pentagon bereits, Israels Symboltat könnte amerikanische Truppen im Irak gefährden, weil dies arabische Terroristen zu neuen Anschlägen anstachele. Und anonym erläutern Regierungsvertreter, Israel unterlaufe zugleich alle Versuche, im UN-Sicherheitsrat demnächst verschärfte Sanktionen gegenüber Teheran durchzusetzen.

Dazu braucht der Westen auch Pekings Zustimmung - aber China braucht Öl, bisher auch aus Iran. Seit Monaten müht sich Washington deshalb, dem saudischen Königshaus das Versprechen abzuringen, im Ernstfall mehr Öl zu fördern und so iranische Lieferausfälle wettzumachen. Doch zu solchen Zusagen ist Riad nicht bereit, solange Israel nicht Jerusalem mit den Arabern teilen will.

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