Gewalt in Israel:Eine Tote und Verletzte bei Anschlag in Jerusalem

In Jerusalem explodiert nach langer Zeit der relativen Ruhe wieder eine Bombe. Rund um den Gaza-Streifen wird mit Raketen und mit Mörsergranaten geschossen. Die Ersten sprechen von Krieg.

Peter Münch, Tel Aviv

In Jerusalem explodiert an einer überfüllten Bushaltestelle eine Bombe und rund um den Gaza-Streifen wird mit Raketen und mit Mörsergranaten geschossen. Im Konflikt zwischen Israelis und Palästinenser sprechen die Ersten schon wieder von Krieg. Seit einer Woche nehmen sich die Kontrahenten heftig unter Beschuss, zahlreiche Tote sind bereits zu beklagen. Bei dem Anschlag am Mittwoch starb eine Frau, Dutzende Menschen wurden verletzt. Zwar wird von beiden Seiten betont, einen Waffengang wie zuletzt bei der Operation "Gegossenes Blei" zum Jahreswechsel 2008/2009 vermeiden zu wollen. Doch die Drohungen werden schärfer und die Eskalationsspirale dreht sich schnell.

Gewalt in Israel: Am Nachmittag erschütterte eine schwere Detonation das Zentrum Jerusalems.

Am Nachmittag erschütterte eine schwere Detonation das Zentrum Jerusalems.

(Foto: AFP)

Die Explosion, die am Mittwochnachmittag um 15 Uhr in Jerusalem die Gegend um den zentralen Busbahnhof erschütterte, war der erste Bombenanschlag in der Stadt seit 2004. Zwar war diesmal den Angaben zufolge kein Selbstmordbomber am Werk, sondern der ein bis zwei Kilogramm schwere und mit Metallteilen versehene Sprengsatz war nahe einer Telefonzelle versteckt. Doch die Bilder der blutverschmierten Opfer, der Krankenwagen und der hektischen Sicherheitskräfte ähneln denen aus den Zeiten der Intifada. Am Anschlagsort waren Busse mit zersplitterten Scheiben zu sehen. Aus einer Menschenmenge heraus wurden Rache-Rufe laut. Die Stimmung im Land ist aufgeheizt, die Regierung kam zu einer Krisensitzung zusammen.

Raketen schlugen nahe des Gaza-Streifens ein

Bevor es zum Terroranschlag in Jerusalem kam, waren am Mittwoch bereits mehrere Raketen und Mörsergranaten auf israelischem Territorium eingeschlagen. Zwei Grad-Raketen explodierten in der 40 Kilometer vom Gaza-Streifen entfernten Stadt Beerschewa, ein Kassam-Geschoss in der Hafenstadt Aschdod. Ein Mann wurde verletzt, in Beerschewa fiel die Schule aus. Bereits am Wochenende hatten die israelischen Behörden mehr als 50 Einschläge gezählt, die allerdings in der Wüstenregion keinen Schaden anrichteten. Israels Armee rief die Bewohner des Grenzgebiets dazu auf, auf eventuelle Anweisungen der Streitkräfte zu beachten. "Wir befinden uns in einer instabilen Phase, die besondere Vorbereitungen an der Heimatfront erfordert, um einen normalen Alltag zu gewährleisten", hieß es in einer Erklärung.

Die Organisation Islamischer Dschihad bekannte sich zu dem Beschuss aus dem Gaza-Streifen und sprach von Vergeltung für israelische Angriffe am Vortag, die zu den blutigsten seit dem Ende des letzten Gaza-Kriegs zählen. Dabei waren vier militante Palästinenser getötet worden, die nach Angaben der israelischen Armee gerade Granaten auf Israel abgefeuert hatten. Zuvor war es zu einem folgenschweren Fehlschlag gekommen, bei dem durch das von israelischen Panzern eröffnete Feuer drei Fußball spielende Jugendliche und einer ihrer älteren Verwandten getötet wurden. Die Armee sagte, der Beschuss habe palästinensischen Kämpfern gegolten, die Zivilisten als menschliche Schutzschilde missbrauchten.

Kriegerische Töne im Kabinett

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu bedauerte, dass "Unschuldige bei einem Angriff der Armee unabsichtlich getroffen wurden". Zugleich jedoch kündigte er an, dass Israel auf jeden Beschuss aus dem Gaza-Streifen "entschlossen und aggressiv" antworten werde. Kein Staat dulde den Beschuss seiner Bürger, sagte der Regierungschef. Aus seinem Kabinett waren zuvor bereits kriegerische Töne gekommen. Vize-Premier Silwan Schalom sagte im israelischen Radio, die Situation erinnere ihn an die Lage im Winter 2008. Es müsse in Betracht gezogen werden, eine Militäroperation wie damals zu starten.

Seit dem Ende des letzten Gaza-Kriegs, der das Leben von 1400 Palästinensern und von 13 Israelis forderte, hatten sich beide Seiten weitgehend an eine Waffenruhe gehalten. Auch heute dürfte die Hamas kaum an einer längeren Auseinandersetzung mit den weit überlegenen israelischen Streitkräften interessiert sein. Radikale Gruppen wie der Islamische Dschihad versuchen jedoch mit ihren Gewaltaktionen, Israel zu provozieren. Israels Vergeltung richtet sich dann auch gegen die Hamas, die als Alleinherrscher im Gaza-Streifen für jegliche Angriffe aus diesem Gebiet verantwortlich gemacht wird. Während sich die internationale Aufmerksamkeit auf den neuen Kriegsschauplatz in Libyen richtet, droht im Schatten dieser Ereignisse im Nahen Osten eine Wiederholung alter Kämpfe.

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