Israel, USA und Aipac:Die Regierung wechselt, der Einfluss bleibt

Zur Jahrestagung drängen Hunderte Abgeordnete, Vizepräsident Biden spricht: Wie auch in der Ära Obama die Israel-Lobby in den USA große Macht genießt.

R. Klüver

Es war eine imponierende Demonstration politischer Macht. Und nichts anderes sollte es auch sein. Exakt 508 Gesprächstermine, so verkündete der Sprecher der Organisation mit Stolz, hatten Angehörige des American Israel Public Affairs Committee, kurz Aipac, der Lobbyorganisation für Israel in den USA, am Dienstag im Kapitol vereinbart, dem Sitz des Parlaments in Washington.

joe biden Aipac AFP

Vizepräsident Joseph Biden während seiner Rede auf der Jahreskonferenz von Aipac

(Foto: Foto: AFP)

Und zwar nicht mit irgendwelchen Assistenten, sondern mit den Abgeordneten selbst oder ihren wichtigsten außenpolitischen Experten. Bei insgesamt 535 Senatoren und Kongressabgeordneten kein schlechtes Ergebnis.

Die Aipac-Leute wollten werben für einen Gesetzentwurf, der dem neuen Mann im Weißen Haus angesichts seiner Entspannungsbemühungen Richtung Teheran ungelegen kommen dürfte: Er fordert die Regierung Barack Obamas zur Durchsetzung schärferer Sanktionen gegen Iran auf.

Der kollektive Ausflug ins Kapitol war der Abschluss des Jahrestreffens von Aipac, einer gigantischen Konferenz, die im ersten Jahr der neuen Administration das ungebrochene politische Gewicht der sogenannten Israel-Lobby in Washington unterstreichen sollte.

Das war in der Tat beeindruckend: Vizepräsident Joe Biden sprach. Rahm Emanuel, Obamas Stabschef, war gekommen. Israels Präsident Schimon Peres hatte seinen Antrittsbesuch bei Obama mit dem Jahrestreffen koordiniert. Und Israels neuer Premier Benjamin Netanjahu redete per Videoschaltung zu den 6500 Konferenzteilnehmern.

Eine Partnerschaft, die quasi Staatsräson ist

Am Montagabend, zur großen Gala, waren mehr als die Hälfte aller Kongressabgeordneten und Senatoren erschienen. Sie wurden gebeten, sich kurz von ihren Plätzen zur Begrüßung zu erheben - die Fernsehbilder davon waren ein deutlicher Hinweis auf die politischen Muskeln, die Aipac spielen lassen kann.

Gerade erst hat die Lobbygruppe ihre Macht bewiesen. In der vergangenen Woche stellte das Justizministerium die Ermittlungen gegen zwei frühere Mitarbeiter der Organisation ein, denen noch unter der alten Administration die Weitergabe von Staatsgeheimnissen vorgeworfen worden war, Spionage für Freunde sozusagen.

Ein prominenter US-Kritiker Israels, der ausgerechnet oberster strategischer Berater der US-Geheimdienste werden sollte, musste seine Bewerbung nach wütender Kritik von Aipac wieder zurückziehen. Obamas Leute hatten ihm bedeutet, dass sie sich seinetwegen nicht mit der Lobbygruppe verkrachen wollten.

Und für die meisten Amerikaner ist eine enge Partnerschaft zwischen ihrem Land und Israel nach wie vor quasi Staatsräson. 80 Prozent aller US-Bürger sehen Israel als einen der engsten Freunde der USA in der Welt. "Für Israel zu sein, ist so amerikanisch wie apple pie", sagt Aipac-Sprecher Josh Block unter Anspielung auf Apfelkuchen, der in Amerika den Status einer Nationalspeise hat.

Eigentlich also erfreuliche Aussichten für die Freunde Israels in Amerika. Tatsächlich aber herrscht einige Beklommenheit bei Aipac - und tiefe Unsicherheit bei den Nahostexperten in Washington.

Niemand weiß so recht, wie sich das Verhältnis zwischen den USA und Israel entwickeln wird - oder besser: wie schwierig es sich gestalten wird. Kaum jemand erwartet, dass sich Israels rechter Premier und Amerikas linksliberaler Präsident bei ihrem ersten Treffen in knapp zwei Wochen persönlich näher kommen werden.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, warum Experten derzeit Potential für das "tiefste Zerwürfnis zwischen den USA und Israel in 61 Jahren" sehen.

Offiziell auf Obama-Linie

Aber viel gewichtiger dürften die sich abzeichnenden grundsätzlichen Meinungsverschiedenheiten beider Regierungen über die politische Strategie im Nahen Osten werden. Netanjahu hat zu verstehen gegeben, dass er die Gespräche mit den Palästinensern auf Sparflamme halten will, solange die nukleare Aufrüstung Irans nicht gestoppt wird.

Obama verlangt hingegen "Gesten guten Willens von beiden Seiten", wie er kürzlich im Gespräch mit Jordaniens König Abdallah erklärte, und will die Friedensbemühungen mit Syrien und den Palästinensern weiter vorantreiben.

Obamas Sicherheitsberater Jim Jones sagte in einem Gespräch mit einem europäischen Außenminister, das so vertraulich war, dass sein Inhalt in israelischen Zeitungen nachzulesen war: "Wir werden Israel nicht im Stich lassen. Aber wir werden unsere Interessen gegenüber Israel mehr durchsetzen, als wir es unter Bush getan haben."

Tatsächlich, so der Chef des Washingtoner Nahostinstituts, Robert Satloff, vor den Aipac-Delegierten, gebe es "das Potential für das tiefste Zerwürfnis zwischen den USA und Israel in 61 Jahren". Biden etwa forderte in seiner Rede vor der Aipac-Versammlung am Dienstag unmissverständlich, dass Israel den Ausbau jüdischer Siedlungen im Westjordanland endlich stoppen müsse.

Es sind vor diesem Hintergrund die kleinen Zeichen, die beim Aipac-Treffen genau registriert wurden, auch wenn ihre Interpretation dann doch strittig blieb.

Was hat es beispielsweise zu bedeuten, dass zwar mehr als die Hälfte aller Parlamentarier aus beiden Häusern des Kongresses dort waren und die Fraktionsgeschäftsführer beider Parteien aus beiden Kammern kamen, nicht aber deren Chefs?

Im letzten Jahr waren sie doch alle da - ebenso wie übrigens die damaligen Spitzenkandidaten der Demokraten im Präsidentschaftswahlkampf, Hillary Clinton und Barack Obama.

Und war der Beifall für Newt Gingrich, den republikanischen Hitzkopf, am Ende ein wenig zu laut, als er am Montag Obamas Nahostpolitik als "sehr gefährlich für Israel" brandmarkte und Obamas Bestehen auf der sogenannten Zwei-Staaten-Lösung als "Phantasterei" abtat?

Aipac unterstützt hingegen offiziell die Schaffung eines Palästinenserstaates als Voraussetzung für Frieden im Nahen Osten - und damit ist die Organisation eher auf Obama-Linie.

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