Israel:UN kritisieren Israel

Palestinians walk past Israel's controversial barrier as they make their way to attend the fourth Friday prayer of Ramadan in Jerusalem's al-Aqsa mosque, at Qalandia checkpoint near the West Bank city of Ramallah

Israels Sperranlage an der Grenze zum Westjordanland.

(Foto: Mohamad Torokman/Reuters)

Der desolate Zustand der palästinensischen Wirtschaft und die chronische Armut seien Folge der Besatzung. Die israelische Regierung weist die Vorwürfe von sich.

Von Peter Münch, Tel Aviv

Die israelische Besatzung fügt der palästinensischen Wirtschaft nach Angaben der Vereinten Nationen enorme Schäden zu. Chronische Armut, wachsende Arbeitslosigkeit und eine ernste Ernährungskrise werden in einem nun vorgelegten Bericht der UN-Konferenz für Handel und Entwicklung (Unctad) auf israelische Repressionen zurückgeführt. "Ohne die Besatzung", so heißt es, "ließe sich das Bruttoinlandsprodukt in den Palästinensergebieten ganz leicht verdoppeln."

Der 17-seitige Bericht enthält eine lange Liste von Faktoren, mit denen Israel die Entwicklung im Westjordanland und im Gazastreifen eindämme. Angeprangert werden der Siedlungsbau, die Beschränkung der Bewegungsfreiheit für Menschen und Güter sowie die Beschlagnahmung von Land und anderen natürlichen Ressourcen, vor allem von Wasser. "Israel hat 82 Prozent des palästinensischen Grundwassers konfisziert", heißt es bei der Unctad. Weil es den Palästinensern verboten sei, eigene Brunnen zu graben, hätten sie "keine andere Wahl, als ihr eigenes Wasser aus Israel zu importieren, um 50 Prozent ihres Verbrauchs zu decken". "Vandalismus" wird als weiteres Problem genannt. So seien seit Beginn der Besatzung vor fast fünfzig Jahren mehr als 2,5 Millionen Bäume, darunter allein 800 000 Olivenbäume, zerstört worden. Große Nachteile entstünden der Wirtschaft im Westjordanland dadurch, dass 60 Prozent des Gebiets vollständig von Israel kontrolliert werde. Im Gazastreifen sei wegen einer von Israel eingerichteten Pufferzone entlang des Grenzzauns die Hälfte des Agrarlands nicht zugänglich. Zudem würden die Fischer durch die Seeblockade von 85 Prozent ihrer Ressourcen abgeschnitten. Dazu kommen noch die Zerstörungen durch drei Gaza-Kriege in den Jahren 2008 bis 2014. Allein die Kosten dafür beziffert die Unctad auf mindestens das Dreifache des jährlichen Bruttoinlandsprodukts des Küstenstreifens. Die schwersten Schäden verursachte der 50-tägige Krieg des Sommers 2014, der auf palästinensischer Seite 2200 und auf israelischer 73 Tote gefordert hatte. 91 Prozent der beschädigten Häuser seien - auch als Folge der israelischen Blockade - noch nicht wieder aufgebaut, heißt es, 75 000 Menschen seien auch zwei Jahre nach dem Krieg noch obdachlos.

Nach einem Minus von 0,2 Prozent im Kriegsjahr 2014 sei die Wirtschaft in den Palästinensergebieten zwar 2015 um 3,5 Prozent gewachsen. Das jährliche Pro-Kopf-Einkommen liege aber heute immer noch unter dem Wert von 2013. Die Arbeitslosigkeit in den Palästinensergebieten wird offiziell mit 26 Prozent beziffert - ein enormer Anstieg im Vergleich zu zwölf Prozent noch im Jahr 1999. Gewachsen ist auch die Abhängigkeit von humanitärer Hilfe. Insgesamt sei die Ernährungslage von zwei Dritteln der Palästinenser ungesichert oder bedroht. Als besonderes Alarmzeichen nennt der Unctad-Bericht die Kindersterblichkeitsrate im Gazastreifen, die in den Jahren 2008 bis 2013 von zwölf auf 20,3 pro 1000 Geburten angestiegen sei. "Dieser Trend ist kaum anderswo zu finden außerhalb von Gesellschaften mit HIV-Epidemien", heißt es.

Israel weist alle Vorwürfe kategorisch zurück. Der Unctad-Bericht sei "voller Halbwahrheiten und bösartiger Lügen", erklärte der UN-Botschafter Danny Danon und forderte UN-Generalsekretär Ban Ki Moon auf, sich von dieser "Verzerrung der Wahrheit" zu distanzieren. Ein Sprecher des Jerusalemer Außenministeriums sagte der SZ: "Wenn die Palästinenser nicht in Terror und Gewalt investieren würden, sondern in Wirtschaft und Bildung, dann wäre ihre Gesellschaft reicher und erfolgreicher als jetzt." Als Beispiel verwies er auf den Gazastreifen, wo die Hamas "Hunderte Millionen Dollar in den Tunnelbau statt in Perspektiven für die Bevölkerung" investiert habe.

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