Israel:Tauchgang in der U-Boot-Affäre

Benjamin Netanyahu Welcomes Israeli Navy's Fourth German Built Dolphin Class Submarine

Wie viele Dolphin-Boote braucht das Land? Viele Offiziere meinen, nicht so viel, wie bestellt werden. Premier Netanjahu bei einer Zeremonie in Haifa.

(Foto: Kobi Gideon/Getty Images)

Ermittler verhören Vertraute von Premier Netanjahu, unter ihnen könnte sein Cousin und Anwalt sein. Der berät auch den Vertreter von Thyssen-Krupp - Empfänger großer Rüstungsaufträge.

Von Moritz Baumstieger

Die Ermittler wollten den Überraschungseffekt für sich nutzen, deshalb fuhr die Antikorruptionseinheit der Polizei am frühen Montagmorgen gleichzeitig an mehreren Orten in Israel vor. Die Beamten nahmen sechs Verdächtige zum Verhör mit, die sich so weder absprechen noch hätten warnen können. Drei der Männer sind laut Polizei zentrale Figuren in einem Skandal, der in Israel unter dem Namen "Fall 3000" bekannt ist; sie arbeiteten beim Militär oder im Verteidigungsministerium. Die anderen Befragten sind mit ihnen verwandt oder hatten mit ihnen Geschäftsbeziehungen, ihnen allen wird Korruption, Geldwäsche, Steuerhinterziehung und Betrug vorgeworfen. Was die Sache besonders brisant macht: Einige von ihnen sind enge Vertraute von Premierminister Benjamin Netanjahu.

Der Regierungschef selbst bekam am Montag erst am späten Vormittag Besuch. Keinen überraschenden von Ermittlern, sondern von Ruandas Präsidenten Paul Kagame, den er zum Staatsbesuch empfing. Während Netanjahu freundliche Worte mit seinem Gast austauschte, versuchten die Ermittler seine Rolle in einem Militärdeal zu erhellen. Der Premier steht unter Verdacht, die Interessen seiner Familie über die des Landes gestellt zu haben: Sein Cousin und Anwalt David Shimron berät auch Miki Ganor, den israelischen Vertreter des deutschen Stahlriesen Thyssen-Krupp. Der erhielt 2015 den Auftrag zur Lieferung von drei Dolphin-U-Booten im Wert von 1,2 Milliarden Dollar. Fünf solche U-Boote hat Israels Marine bereits in Betrieb, ein sechstes soll dieses Jahr geliefert werden - deshalb meinten große Teile der Armeeführung und des Verteidigungsministeriums, weitere U-Boote seien zu teuer und unnütz für die Landesverteidigung.

Um seinem Cousin zu einer dicken Provision zu verhelfen, soll Netanjahu das Geschäft dennoch gegen den Willen des damaligen Verteidigungsministers Mosche Jaalon eingefädelt haben, so nun der Verdacht. Jaalon zumindest, der im Mai 2016 seinen Posten verlor, gab den Vorwürfen mit einem Statement Nahrung: "Ich bin sicher, dass es zu einer Anklage kommen wird", schrieb er im Mai 2017 auf seiner privaten Facebook-Seite, nachdem er von den Ermittlern befragt worden war. "Falls nicht, werde ich etwas zu sagen haben und die Details öffentlich machen". Auf die Frage, ob Netanjahu sich der Korruption schuldig gemacht habe, legte er Tage später in einem TV-Interview nach: "Ich habe absolut keinen Zweifel", so der Ex-Minister.

Netanjahu bezeichnete die Vorwürfe damals als absurd, allein "strategische Überlegungen" seien für den Kauf ausschlaggebend. Die U-Boote seien existenziell notwendig, "um Israels Sicherheit zu garantieren". Was er nicht sagte, aber jeder weiß: Die Dolphins können mit atomaren Waffen bestückt werden und sind somit Teil der Abschreckung gegenüber Iran.

Auf die Verhaftungen vom Montag reagierte der Premier hingegen zunächst nicht. Doch selbst ein im Umgang mit Affären so erfahrener Politiker wie Netanjahu könnte sich angesichts der Menge an Vorwürfen gegen ihn langsam Sorgen machen: Generalstaatsanwalt Avichai Mandelblit ermittelt nicht nur im "Fall 3000" genannten U-Boot-Deal, es gibt auch noch einen "Fall 1000" und einen "Fall 2000". In einem geht es um Geschenke im Wert von mehreren zehntausend Euro, die der Premier und seine Familie angenommen haben sollen. Im anderen Fall wird Netanjahu vorgeworfen, dem Herausgeber einer der wichtigsten Zeitungen des Landes Vergünstigungen angeboten zu haben, falls das Blatt weniger kritisch über ihn berichtet.

In den Fällen "1000" und "2000" musste sich Netanjahu Anfang des Jahres insgesamt drei Mal den Fragen von Ermittlern stellen. Wie nah die Untersuchungen diesmal an ihn heranreichen, ist noch nicht bekannt. Israelische Medien spekulierten, dass sich sein Cousin und Rechtsberater Shimron unter den Verhafteten befindet. Eine offizielle Bestätigung gab es dafür am Montag zunächst aber nicht.

Unterdessen hat Israel bei der Thyssen-Krupp-Werft in Kiel drei weitere U-Boote der Dolphin-Klasse geordert. Der Sicherheitsrat der Bundesregierung, die israelische Rüstungskäufe bei deutschen Herstellern traditionell bezuschusst, genehmigte den Deal Anfang Juli nur unter Vorbehalt: Falls sich die Vorwürfe gegen Netanjahu erhärten, so eine Klausel in der nun erteilten Ausfuhrgenehmigung, könne die Bundesregierung das Geschäft jederzeit widerrufen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: