Israel sagt vorgezogene Neuwahlen ab:Netanjahu überrascht mit Kadima als Koalitionspartner

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Kurz vor der Abstimmung über die Auflösung der Knesset hat der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu eine Einigung mit der oppositionellen Kadima-Partei verkündet. Die für September angesetzten Neuwahlen sind damit abgewendet. Beobachter hoffen auf eine Entspannung des Konflikts mit Iran, Oppositionelle sprechen von einem "widerlichen Pakt".

Die vorgezogenen Neuwahlen in Israel sind abgesagt. Überraschend verkündete Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, die liberale Oppositionspartei Kadima habe sich zur Bildung einer Koalition bereiterklärt, um eine Regierung der nationalen Einheit zu ermöglichen. Das Büro des Präsidenten Schimon Peres bestätigte die Einigung im israelischen Parlament, nachdem zuvor bereits israelische Medien über eine Vereinbarung zwischen Netanjahus rechtsgerichteter Likud-Partei und der in der politischen Mitte angesiedelten Kadima berichtet hatten.

Zuletzt war Netanjahu wegen eines Koalitionsstreits um die Reform des Militärdienstes unter Druck geraten und hatte mit der Einleitung von Neuwahlen begonnen. Die israelische Regierung hatte am Montag zunächst vorgeschlagen, die Wahlen auf den 4. September vorzuverlegen. Anschließend beriet die Knesset über die Auflösung des Parlaments. Die Berichte über die Einigung Netanjahus mit dem Oppositionsführer der Kadima, Schaul Mofas, wurden kurz vor der Abstimmung über die Auflösung bekannt.

In der Regierung der Nationalen Einheit soll Mofas stellvertretender Ministerpräsident und Minister ohne Geschäftsbereich werden. Die bisherige Regierungskoalition Netanjahus kommt mit den 28 Abgeordneten der Kadima auf 94 Mandate in der insgesamt 120 Mitglieder zählenden Knesset.

Ein mögliches Ausscheren von Koalitionspartnern hätte die Regierung Netanjahus zu Fall bringen können. Der in sämtlichen Umfragen weit in Führung liegende Ministerpräsident hatte sich daher von Neuwahlen eine Stärkung seiner Macht erhofft. Einen größeren Handlungsspielraum dürfte er nun auch durch die Zusammenarbeit mit der Kadima erlangen, da er weniger Rücksicht auf Forderungen kleinerer Koalitionsparteien nehmen muss.

Die Amtszeit der Regierung läuft noch bis Oktober 2013. Durch die Einigung mit der Kadima-Partei wird ein möglicher israelischer Angriff auf Iran unwahrscheinlicher. Parteichef Mofas hatte sich zuletzt kritisch zu einem solchen Vorhaben geäußert, das Thema verliert auch in der israelischen Bevölkerung an Interesse.

"Lächerlicher Zickzackkurs"

Die Reaktionen auf die neue Koalition fielen unterschiedlich aus. Präsident Peres begrüßte die Aushandlung einer Regierung der Nationalen Einheit. Israelischen Medienberichten zufolge sagte er Netanjahu in einem Telefongespräch, die Einheit komme dem israelischen Volk zugute. Ein Parlamentssprecher sagte einem israelischen Radiosender, die Einigung sei gut, weil sie Stabilität bringe.

Der bekannte israelische Fernsehmoderator Jair Lapid, der bei den kommenden Wahlen antreten will, sprach dagegen nach Medienberichten von einem "widerlichen Pakt". Shelly Jachimowich, Vorsitzende der oppositionellen Arbeitspartei, beschrieb Netanjahus Vorgehen demnach als "lächerlichsten Zickzackkurs in der politischen Geschichte Israels".

© Süddeutsche.de/dapd/dpa/feko - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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