Israel:Rechte und Linke fürchten sich gemeinsam

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Benjamin Netanjahu (rechts) hat für Isaac Herzog schon länger den Job des Außenministers vorgesehen. Obwohl Herzog der Opposition angehört. (Foto: Baz Ratner/Reuters)

Israels zerstrittene politische Lager finden angesichts des Wiener Atomdeals zueinander. Das könnte Jerusalem eine große Koalition bescheren.

Von Ronen Steinke, München

Milliarden Dollar Militärhilfe sind über die Jahre von den USA nach Israel geflossen. Das neueste Hilfspaket aus Washington aber möchte Israels Premierminister Benjamin Netanjahu möglicherweise ausschlagen, wie die Sicherheitsberaterin des US-Präsidenten, Susan Rice, bestätigte. "Wie könnte Geld uns kompensieren" für den Verlust an israelischer Sicherheit, hat Netanjahu bereits öffentlich in Richtung der USA gefragt. Dieser Verzicht wäre eine Premiere. Die Ankündigung Netanjahus ist nur die jüngste Geste israelischer Empörung, eine Woche nach dem Abschluss der Atom-Einigung mit Iran: Die Sicherheitspolitiker in Jerusalem sehen sich von ihren westlichen Partnern alleingelassen in ihrer Auseinandersetzung mit Iran. Die Wut darüber bekam am Dienstag auch der US-Verteidigungsminister Ashton Carter beim Treffen mit Netanjahu zu spüren. Und auch innenpolitisch ist darüber vieles in Bewegung geraten - allerdings zu Netanjahus Freuden. Das Thema Iran führt die politischen Lager zusammen. Angenehm für den Premier, der bislang mit einer wackeligen Mehrheit von nur einer Stimme regiert. Erst traktierten die Spitzen der Oppositionsfraktion Zionistisches Lager, Tzipi Livni und Isaac Herzog, den britischen Außenminister Philip Hammond bei dessen Besuch in Jerusalem in der vergangenen Wochen mit ebenso scharfen Fragen wie der israelische Verteidigungsminister. Dann erklärte der Chef der oppositionellen Arbeitspartei, Isaac Herzog, er wolle nun in die USA fahren, um - ganz im Sinne des Premiers - die Kongress-Abgeordneten vor dem Iran-Deal zu warnen. Fast schon wie ein Außenminister einer großen Koalition. Es ist das offenste Geheimnis der israelischen Politik, dass Netanjahu genau dies anstrebt, schon seit dem ersten Tag seiner im Mai gebildeten rechts-religiösen Koalition: Der profilschwache Isaac Herzog soll die Oppositionsbank verlassen und seine Arbeitspartei in die Regierung führen. Als demonstrative Einladung hat Netanjahu sogar den Stuhl des Außenministers leer gelassen. Noch steht dem Arbeitsparteichef Herzog dessen linke Parteibasis im Weg. Nun aber: "Ich lasse mich einberufen, um in dieser neuen Situation alles für die Sicherheit des Staates Israel zu tun", hat Herzog seine Ankündigung eingeleitet, sich als Diplomat auf eigene Rechnung nach Washington aufzumachen.

Israels Linke und Rechte streiten viel und heftig, wenn es um den Umgang mit Palästinensern geht. Vor allem darüber, wo legitime Verteidigung aufhört und Aggression beginnt. Wenn es um Iran geht, ist dies anders. Das Land liegt 1300 Kilometer entfernt. Das dortige Regime schickt über diesen weiten Weg millionenschwere Waffenlieferungen an Israels Grenzen, und auch wenn der derzeitige, als moderat geltende iranische Präsident Hassan Rohani den Ton gemildert hat, auch wenn er zum Beispiel Glückwünsche zum jüdischen Neujahrsfest twittert oder neulich die Veranstalter eines Wettbewerbs für antisemitische Holocaust-Karikaturen in Teheran zurückpfiff, sehen die meisten Israelis in Iran vor allem den Sponsor der Aggressoren von Hamas und Hisbollah. Der nun besiegelte Atom-Deal verspricht den Iranern, dass sie das Sanktionsregime bald abstreifen dürfen. Aus Sicht der fünf UN-Vetomächte ist das ein Wagnis. Aus Sicht der meisten Israelis aber ist es ein Experiment mit ihrer Sicherheit. Und das ist weder bei Rechten noch bei Linken populär.

Schon bei der Parlamentswahl 2013 antwortete die Mitte-links-Opposition auf Netanjahus Schwarzmalerei vor Iran mit: mehr Angst vor Iran. Das Plakat zeigte einen Atompilz, und darunter die Worte: "Bibi wird uns in Gefahr bringen." Die Botschaft: Der Premier, landläufig unter seinem Spitznamen Bibi bekannt, verprelle Israels Freunde, die man aber brauche, um stark gegen Iran zu sein. In genau diesem Sinne hatte zuletzt auch der Anführer der oppositionellen Zukunftspartei, Jair Lapid, den Premier kritisiert. Erst Netanjahus völlige Unfähigkeit zu Diplomatie habe Israel in diese neue Gefahr gebracht. Bei den Wählern verfing das kaum. Am Dienstag nun schob Lapid hinterher: "Wenn ich Englisch spreche, werde ich die Regierung unterstützen."

© SZ vom 22.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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