Israel:Obama schlägt zurück

Der israelische Premierminister Netanjahu hat den US-Präsidenten schwer verärgert. Dies wird Folgen haben. Washington könnte zum Beispiel eine Resolution im UN-Sicherheitsrat passieren lassen, die Israel Druck macht.

Von Peter Münch

Der Sieg ist im Sack, doch die Feier danach gerät zum Tanz auf dem Scherbenhaufen. Israels Premierminister Benjamin Netanjahu hat im Innern wie im Äußeren so viel Porzellan zerschlagen auf dem Weg zu seiner Wiederwahl, dass er nun eine schmerzhafte Erfahrung macht: Nicht jeder ist so wendig wie er, und es gibt immer noch Leute, die ihn beim Wort nehmen. Statt sich nun frohen Mutes an die Regierungsbildung machen zu können, muss er sich deshalb nach allen Seiten um Schadensbegrenzung bemühen. Doch als notorischer Wiederholungstäter kann er dabei kaum auf Nachsicht hoffen - und am deutlichsten zeigt ihm dies der wichtigste aller Verbündeten in Washington.

Das Imperium schlägt zurück, und was für ein Kampf auf Netanjahu zukommt, hat er am Dienstag im Wall Street Journal nachlesen können. Gefüttert mit Informationen aus der amerikanischen Regierungszentrale enthüllt das Blatt einen doppelten israelischen Anschlag auf das Vertrauensverhältnis: Die Regierung in Jerusalem soll nicht nur die geheimen Atomgespräche mit Iran ausspioniert, sondern die dabei abgeschöpften Informationen auch noch gezielt an US-Kongressabgeordnete weitergeleitet haben. Das Ziel: Obamas innenpolitische Widersacher zu munitionieren, um ein Atom-Abkommen zu Fall zu bringen. Das Ergebnis: In Obamas Gunst droht Netanjahu bald noch von den Ayatollahs in Teheran überholt zu werden.

Netanjahu hat die US-Regierung tief verärgert - das hat Folgen

Denn Israels Premier steht hier nicht nur als Trickser, sondern auch als Verräter da. Obama wird das zu nutzen wissen, denn wer einen vermeintlichen Freund auf diese Weise öffentlich entlarvt, der verschafft sich eine Menge Handlungsfreiheit. Zuvor schon hatte er wissen lassen, dass er nichts mehr gibt auf Netanjahus Volten in Sachen Palästinenserstaat. Nach dessen Absage an den Friedensprozess im Wahlkampf würden die USA "andere Optionen prüfen", um das Ziel der Zwei-Staaten-Lösung nicht aus den Augen zu verlieren. Andere Optionen haben die USA zum Beispiel im UN-Sicherheitsrat, wo sie bislang mit ihrer Vetomacht einen Schutzschild über Israel hielten. Denkbar ist nun, dass Washington dort eine Resolution zur Zwei-Staaten-Lösung passieren lässt, die Israel in die Isolation treibt.

Bei solchen Perspektiven ist Netanjahus Wahlsieg wahrlich teuer erkauft - und dies ist noch nicht einmal der einzige Preis, der zu zahlen ist. Mit rassistischem Getöse gegenüber der arabischen Minderheit in Israel und Verschwörungsvorwürfen gegen die Linken hat er aus Eigennutz überdies sein Land tief gespalten. Wie üblich hat er auch hier versucht, sein Geschwätz von gestern mit einer überfallartigen Versöhnungsgeste wieder vergessen zu machen. Doch die Entschuldigung dafür, dass er die arabischen Mitbürger "gekränkt" habe, stieß weitgehend auf taube Ohren. Die Wunden sind geschlagen, und Präsident Reuven Rivlin persönlich attestierte, dass Israel nun eine Heilungsphase nötig habe.

Netanjahu steht also schon mit dem Rücken zur Wand, bevor er überhaupt mit einer neuen Koalition das Regieren beginnen kann. Das sich abzeichnende Bündnis ist überdies kaum dazu angetan, die Gräben im Innern zuzuschütten und das Vertrauen von außen zurückzugewinnen. Regieren werden wohl die Ultra-Rechten mit den Ultra-Orthodoxen. Doch dies ist die Regierung, die Israel in einem demokratischen Prozess gewählt hat, und mit dieser Regierung müssen jetzt sowohl das Land als auch die Verbündeten im Ausland leben. Die Differenzen sind so offensichtlich, dass es nur einen Weg gibt, mit ihnen umzugehen: Sie müssen offen ausgetragen werden. Auf stürmische Zeiten also sollten sich alle einstellen. Doch bisweilen braucht es solche Stürme, damit sich der Himmel irgendwann wieder klären kann.

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