Israel:Netanjahu sucht weiter

Israels Premier präsentiert eine neue Rechtskoalition, doch die Mehrheit ist so knapp, dass er um weitere Verbündete wirbt.

Von Peter Münch, Tel Aviv

Israel Premierminister Benjamin Netanjahu muss trotz eines deutlichen Wahlsiegs künftig mit einer knappen Mehrheit regieren. Seine vom Likud geführte Fünf-Parteien-Koalition, die er nun fast zwei Monate nach der Wahl präsentiert hat, kommt auf 61 der 120 Knesset-Sitze. Das Bündnis aus rechten und religiösen Parteien hat ein ambitioniertes Programm in der Sozialpolitik angekündigt. Neue Initiativen im Friedensprozess sind dagegen kaum zu erwarten. Die Palästinenser sprachen sogleich von einer "Koalition für den Krieg und gegen Frieden und Stabilität in der Region".

Die Nacht hatte sich schon längst über Jerusalem hereingesenkt, als Netanjahu nur anderthalb Stunden vor Ablauf der für die Regierungsbildung vorgesehenen Frist Präsident Reuven Rivlin den Koalitionsvollzug melden konnte. Mit den beiden ultra-orthodoxen Parteien Schas und Vereinigtes Torah Judentum sowie mit der Kulanu-Partei des neuen Finanzmisters Mosche Kachlon waren bereits längst Einigungen erzielt worden. Bis zuletzt hatte Netanjahu allerdings mit dem künftigen Bildungsminister Naftali Bennett von der Siedlerpartei Jüdisches Heim gerungen. Nach der fast mitternächtlichen Einigung wurde dann am Donnerstag der Koalitionsvertrag unterzeichnet.

Dies ist die 34. Regierung in der 67-jährigen Geschichte Israels und die vierte, die unter der Führung Netanjahus gebildet wird. Bennett versicherte dem Regierungschef nach den aufreibenden Verhandlungen, er stehe nun voll und ganz hinter ihm. Wahrscheinlich wäre es dem Regierungschef allerdings lieber, wenn er ihn nicht im Rücken, sondern unter genauerer Kontrolle wüsste. Denn im finalen Koalitionspoker hatte Bennett Bedingungen durchgesetzt, die von vielen im Likud als Erpressung gewertet wurden und bereits Rufe nach Rache provozierten. So setzte er die Berufung seiner Parteikollegin Ajelet Schaked zur Justizministerin durch. Auf diesem Posten wird sie auch im einflussreichen Sicherheitskabinett sitzen.

Die Palästinenser nennen das neue Bündnis eine Regierung der Siedler

Netanjahu kündigte bereits an, er wolle sich um eine breitere Basis seiner Koalition bemühen. "61 sind gut, aber mehr als 61 sind noch besser", sagt er. Spekuliert wird, dass er versuchen könnte, einzelne Abgeordnete des Oppositionslagers aus ihren Parteien heraus- und in die Koalition zu locken. Werben dürfte er jedoch auch weiterhin um die sechs Sitze der nationalistischen Partei des früheren Außenministers Avigdor Lieberman, der am Dienstag überraschend verkündet hatte, er werde lieber in die Opposition gehen. Berichten zufolge könnte Netanjahu das Außenamt zunächst selber mit übernehmen, um es für Lieberman freizuhalten - oder aber, um für den Wahlverlierer Isaac Herzog mit diesem Posten den Eintritt in eine Regierung der Nationalen Einheit attraktiv zu machen.

Herzog macht allerdings wenig Anstalten, sich einbinden zu lassen. "Wir werden Netanjahu nicht aus dem Loch befreien, das er sich selber gegraben hat", erklärte er. Der neuen Koalition warf er vor, sie habe "keine Verantwortung und Stabilität". Gewiss hofft er auf einen schnellen Bruch dieses Bündnisses. Herzog kündigte an, die Regierung werde bald durch eine "Alternative der Hoffnung und Verantwortung ersetzt". Der Abgesang erscheint allein deshalb verfrüht, weil die neue Koalition noch nicht einmal die Arbeit aufgenommen hat. Spätestens am nächsten Mittwoch muss Netanjahu dem Parlament sein Kabinett sowie das Regierungsprogramm vorstellen und sich einer Vertrauensabstimmung stellen.

Die Palästinenser-Führung fordert von der internationalen Gemeinschaft, künftig mehr Druck auf Israel auszuüben. Dies sei "eine Regierung der Siedler", erklärte der Chefunterhändler Saeb Erekat. Ihr Ziel sei es, "die Zwei-Staaten-Lösung zu zerstören".

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