Israel:Netanjahu riskiert Bruch mit den USA

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Der Bau einer jüdischen Wohnanlage in Ostjerusalem verärgert Washington - angeblich kürzen die USA nun ihre Finanzhilfen.

Thorsten Schmitz, Tel Aviv

Der Streit zwischen den USA und Israel über den Bau jüdischer Siedlungen im Westjordanland und im arabischen Ostteil Jerusalems spitzt sich zu. Wie die Zeitung Jediot Achronot am Montag berichtete, wurde der Kontakt zwischen Washington und Jerusalem auf "ein Minimum" zurückgeschraubt.

Hat deutliche Meinungsverschiedenheiten mit den USA: Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu (Foto: Foto: dpa)

Israels Premierminister Benjamin Netanjahu habe derzeit "keinen direkten Draht" zu US-Präsident Barack Obama. Stattdessen führten Israels Verteidigungsminister Ehud Barak und der US-Sondergesandte George Mitchell Gespräche. Das israelische Wirtschaftsblatt Calcalist meldete, die USA beabsichtigten als "Strafe wegen des Siedlungsbaus", Israel bis zum Jahr 2011 eine Milliarde Dollar weniger an Kreditbürgschaften zur Verfügung zu stellen: statt 3,8 Milliarden nur 2,8 Milliarden Dollar.

20 Wohnungen, die neuen Streit auslösen

Jediot Achronot zitierte mehrere besorgte Minister Netanjahus, wonach die Spannung zwischen Washington und Jerusalem die traditionell engen israelisch-amerikanischen Beziehungen stark beschädigen könnten.

Als Beleg für die zunehmenden Irritationen wurde auch Mitchells Reise nach Israel genannt, die ohne Angabe von Gründen auf kommende Woche verschoben worden war. Zudem würden Netanjahus Aussagen vom Sonntag zum Bau einer jüdischen Siedlung im Ostjerusalemer Stadtteil Scheich Dscharach von den USA als "Kampfansage" gewertet.

Netanjahu habe mit Absicht den Bau von 20 Wohnungen angekündigt, um einer Aufforderung der USA nach einem Baustopp in Ostjerusalem zuvorzukommen, hieß es. Die US-Regierung hat seit dem Amtsantritt von Obama Israel mehrmals zu einem kompletten Stopp des Ausbaus von Siedlungen im Westjordanland aufgefordert.

Jüdische Siedlungen im Osten Jerusalems waren dabei bislang nicht explizit genannt worden. Im 1967 von Israel eroberten Westjordanland leben derzeit rund 2,5 Millionen Palästinenser und etwa 300.000 jüdische Siedler in 121 Siedlungen und etwa 100 sogenannten Außenposten.

Brüske Zurückweisung

Im Ostteil Jerusalems leben etwa 250.000 Palästinenser und 200.000 jüdische Siedler. Die Palästinenser beanspruchen den arabischen Ostteil Jerusalems als Hauptstadt eines künftigen Palästinenserstaates.

Alle israelische Regierungen dagegen haben seit der Eroberung und späteren Annektierung Ostjerusalems im Juni 1967 klargemacht, dass Jerusalem "auf ewig" unteilbar bleiben solle.

Netanjahu hatte am Sonntag eine Forderung der US-Regierung zum Baustopp in Scheich Dscharach brüsk zurückgewiesen und in überraschend undiplomatischen Worten erklärt: "Das vereinigte Jerusalem ist die Hauptstadt des jüdischen Volkes und des Staates Israel. Wir können die Idee nicht akzeptieren, dass Juden nicht das Recht haben sollen, in allen Teilen Jerusalems zu leben und Land zu kaufen."

Zuvor war bekannt geworden, dass der israelische Botschafter in den USA, Michael Oren, zu einem Gespräch in der Siedlungsfrage ins US-Außenministerium einbestellt worden war.

Dabei sei die eindeutige Forderung der USA übermittelt worden, die geplanten Bauaktivitäten im Bereich des früheren Shepherd-Hotels im Scheich-Dscharach-Viertel zu stoppen.

Israel habe dies jedoch mit der Begründung zurückgewiesen, es handele sich um ein privates Bauprojekt. In seiner ersten Amtszeit als Premierminister in den Jahren 1996 bis 1999 hatte Netanjahu etwa 20.000 Wohnungen in der jüdischen Siedlung Har Homa im Osten Jerusalems errichten lassen.

Überrascht von der Reaktion Washingtons

Israelische Medien berichteten am Montag, Netanjahu habe die Forderung der USA auch nach einem Baustopp in Ostjerusalem überrascht, schließlich habe er Obama in einem Gespräch in Washington im Mai klargemacht, dass Jerusalem keine jüdische Siedlung sei.

Der jüdische US-Millionär Irwin Moskowitz hatte vor drei Monaten eine Genehmigung von der Jerusalemer Stadtverwaltung bekommen, auf der Anlage des früheren Shepherd-Hotels 20Wohneinheiten zu errichten. Er hatte das Gebiet mit dem leerstehenden Hotel 1985 gekauft. Den Bauplänen zufolge soll das Hotel renoviert werden, auf dem Areal sollen Luxuswohnungen entstehen.

Der Streit um den Ausbau von Siedlungen hat Vertreter der Palästinenserregierung dazu veranlasst, sich pessimistisch zu einer Wiederaufnahme von Friedensgesprächen zu äußern.

Chefunterhändler Saeb Erekat sagte am Montag, Netanjahu habe zwar von einer Zwei-Staaten-Lösung gesprochen, "aber so viele Bedingungen daran geknüpft", die die Palästinenser nicht erfüllen könnten. Netanjahu hatte unter anderem von den Palästinensern verlangt, Israel als Staat der Juden anzuerkennen. Dazu sind diese nicht bereit, bevor nicht eine Einigung in der Frage über ein generelles Rückkehrrecht palästinensischer Flüchtlinge erzielt worden ist.

Kritik aus Berlin

Die Bundesregierung warf Israel am Montag vor, die Friedensbemühungen im Nahen Osten zu behindern. "Wir sehen den fortgesetzten Siedlungsbau mit großer Sorge", sagte Außenamtssprecher Jens Plötner. Der Bau von Siedlungen schaffe Fakten, die eine Einigung erheblich erschwerten.

Aus Rache für die Auflösung eines nicht genehmigten jüdischen Außenpostens im Westjordanland haben mehr als 30 Siedler am Montag Felder von Palästinensern in Brand gesetzt. Die israelischen Streitkräfte hatten zuvor den Außenposten aufgelöst.

© SZ vom 21. Juli 2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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