Israel:Netanjahu im Windschatten

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Benjamin Netanjahu ist mit dem Kurs des US-Präsidenten zufrieden. (Foto: Abir Sultan/dpa)

Der Premier gibt sich gegenüber der Fatah und Iran auffällig zurückhaltend.

Von Alexandra Föderl-Schmid, München

Benjamin Netanjahu ist zwar auch Außenminister Israels, aber nicht unbedingt als Diplomat bekannt, wenn es um Iran oder die Hamas geht. Derzeit jedoch hält sich der 67-jährige Ministerpräsident ungewohnt zurück, agiert fast vorsichtig. Das israelische Sicherheitskabinett hat am Dienstag beschlossen, dass keine politischen Verhandlungen mit einer palästinensischen Einheitsregierung aufnehmen zu wollen, an der die islamistische Hamas beteiligt ist. Eine solche Regierung aus Fatah und Hamas ist unter anderem das Ziel der Versöhnungsvereinbarung, die beide Palästinenserorganisationen vergangene Woche unterzeichneten. Spätestens zum 1. Dezember soll die Einheitsregierung die volle Kontrolle im Gazastreifen übernehmen.

Das Sicherheitskabinett, dem mehrere Minister angehören, nannte als weitere Bedingung auch explizit etwas, was das Abkommen bisher ausspart und als Knackpunkt gilt: die Entwaffnung der rund 25 000 Kassam-Kämpfer. Außerdem wird ein Bekenntnis der Hamas zum Existenzrecht Israels verlangt. Zwar setzen die Israelis so hohe Hürden, gleichzeitig unterstützen sie mit ihren Forderungen Palästinenserpräsident Mahmud Abbas, in dessen Sinne ein volles Durchgriffsrecht der von ihm geführten Autonomiebehörde in den palästinensischen Gebieten ist. 2007 hatte die im Westjordanland regierende Fatah die Kontrolle über den Gazastreifen an die Hamas verloren. Das Sicherheitskabinett droht mit Sanktionen wie dem Einbehalten von Steuergeldern der Palästinenser.

Die Hamas reagierte ablehnend auf den Beschluss: "Das ist eine inakzeptable israelische Einmischung in die inneren palästinensischen Angelegenheiten", sagte ihr Sprecher Fausi Barhum. Abbas ließ durch einen Sprecher ausrichten, die Versöhnung habe für die Palästinenser oberste Priorität. Jegliche Anmerkungen Israels würden die offizielle palästinensische Position zu Fortschritten bei der Aussöhnung nicht verändern.

Trotz seiner Ablehnung der innerpalästinensischen Annäherung will Israel die Verbindungen zur Autonomiebehörde jedoch explizit nicht kappen. Damit soll signalisiert werden, dass es den Israelis um die Hamas und ihre Waffen geht, sie aber Abbas' Kurs prinzipiell weiter unterstützen. Als weitere Bedingung wird eine Auflösung der Verbindungen zwischen Hamas und Iran gefordert. Das ist auch im Sinne Ägyptens, das die Vereinbarung in großer Eile vermittelte. Ägypten trägt die Blockade Gazas mit, was Israel durch eine brüske Ablehnung des Friedensabkommens nicht gefährden will.

Auch in Bezug auf Iran fällt Netanjahus zurückhaltende Wortwahl auf. Er fordert, anders als früher, weder weitere Sanktionen, noch eine Aufkündigung des Atomabkommens, sondern lediglich "Nachbesserungen" und "Veränderungen". Sollte dies nicht geschehen, könnte Iran binnen acht oder zehn Jahren nuklear aufrüsten, sagte der Regierungschef bei einem Treffen mit dem russischen Verteidigungsminister Sergej Schoigu am Dienstag. Er wiederholte auch seine drastischen Warnungen nicht mehr, Iran wäre weniger als ein Jahr vom Bau einer Atombombe entfernt. Mit dieser Aussage hatte er 2015 versucht, die Unterzeichnerstaaten USA, Russland, China, Frankreich, Großbritannien und Deutschland von dem Atomabkommen mit Iran abzuhalten. US-Präsident Donald Trump hat vergangene Woche nicht den Ausstieg aus dem Abkommen verkündet, sondern nur mit der Aufkündigung gedroht, aber für Netanjahu läuft es in die richtige Richtung. Er sieht durch Trumps "mutige Entscheidung" die Möglichkeit, "dieses schlechte Abkommen zu flicken". Binnen 60 Tagen muss der UN-Kongress entscheiden, ob die ausgesetzten Sanktionen gegen Teheran wieder in Kraft gesetzt werden sollen.

Als die USA sich aus der Unesco zurückzogen, reagierte man in Israel völlig überrascht

Mit dieser Zurückhaltung kommt Netanjahu auch jenen Kräften in Israel entgegen, die der Ansicht sind, eine Annullierung des Iran-Abkommens würde die Sicherheitslage im eigenen Land verschlechtern. Dazu gehören Politiker wie der frühere Verteidigungsminister und Premier Ehud Barak, aber auch Geheimdienstexperten. Sie warnen, dass eine Aufkündigung des Abkommens ein Vorwand für Iran sei, ihr Atomprogramm wieder aufzunehmen. Israel sieht sich auch in seiner Nachbarschaft bedroht, weil Iran der radikalislamische Hisbollah in Libanon Waffen liefert.

In Israel ist man aber gewarnt, dass auch alles ganz schnell ganz anders sein kann: Trotz enger Verbindungen zwischen Trump und Netanjahu wurde Israel von der Entscheidung der USA, sich aus der Unesco zurückzuziehen, vergangene Woche überrascht. Zwar wurde diese Möglichkeit zuvor immer wieder diskutiert, auch während eines Israel-Besuchs der amerikanischen UN-Botschafterin Nikki Haley im Juni. Aber dass dieser Schritt unmittelbar bevorsteht und just an einem wichtigen jüdischen Feiertag vollzogen werden soll, hätten israelische Diplomaten erst durch eine Mitteilung des US-Außenministeriums auf einer Website erfahren, berichtet die israelische Zeitung Haaretz. Netanjahu gab dann per Telefon eilig dem Außenministerium die Weisung, wie die Amerikaner den Rückzug aus der UN-Organisation vorzubereiten.

© SZ vom 19.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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