Israel: Nach der Wahl:Verlorene Hoffnung

Palästinenser und die arabische Welt sind sich einig in dem, was sie von einer neuen israelischen Regierung erwarten: nichts.

Tomas Avenarius

Der Kommentar ist eindeutig: "Wenn ich mir dieses Wahlergebnis anschaue, erkenne ich nicht, wie sich daraus eine friedensfähige Koalitionsregierung ergeben soll."

Israelische Flagge; AP

Israel hat gewählt - die arabische Welt ist besorgt: Der mögliche Premier Netanjahu lehnt den Annapolis-Friedensprozess ab.

(Foto: Foto: AP)

So bringt der palästinensische Friedensunterhändler Saeb Erekat die arabische Sicht auf den Punkt: "Das sind für uns alles Nicht-Partner." Er könnte recht haben: Die israelische Parlamentswahl hat das rechts-konservative Lager gestärkt - und damit die magere Hoffnung auf eine friedliche Lösung des Nahost-Konflikts fürs Erste weiter verringert.

Erekats Analyse: "Keine der denkbaren Koalitionen wird die Zwei-Staaten-Lösung anerkennen und die unterzeichneten Abkommen. Sie werden die Siedlungen ausbauen, und die Politik militärischer Angriffe fortsetzen."

Dies ergibt sich auch zum Teil aus den Wahlprogrammen der nun zu Koalitions-Kompromissen gezwungenen Politiker in Israel. Der mögliche Premierminister Benjamin Netanjahu lehnt den Annapolis-Friedensprozess ab, setzt auf Siedlungsbau und will die Palästinenser in der Westbank fürs Erste mit wirtschaftlichen Hilfen abspeisen oder im Gaza-Streifen mit militärischer Gewalt zum Einlenken bewegen.

Die einjährigen Verhandlungen, die Palästinenserpräsident Machmud Abbas mit Israels bisheriger Regierung geführt hat, wären damit wertlos geworden. Die Alternative, eine gemildert konservative Regierungschefin Tzipi Livni, wäre für die Palästinenser nicht viel besser. Die derzeitige Außenministerin will zwar ein Friedensabkommen nach dem Annapolis-Modell aushandeln. Aber sie braucht einen Koalitionspartner - und der wird rechts stehen. Die Hamas im Gaza-Streifen hat von Livni nach dem Drei-Wochen-Krieg auch in Zukunft wenig Wohlwollen zu erwarten.

"Nicht-Partner" Lieberman

Vor allem mit einem Israeli aber dürften weder die Palästinenser noch die anderen Araber politisch können: Es ist der Königsmacher in diesem Politikpoker. Avigdor Lieberman ist in jedem Fall ein "Nicht-Partner" für die Palästinenser, für die übrigen Araber, für die Iraner. Er will nicht nur die Hamas mit Stumpf und Stiel ausrotten. Er droht auch, den israelischen Arabern die Staatsbürgerschaft zu entziehen, wenn sie sich nicht öffentlich zum jüdischen Staat Israel bekennen. Das klingt in arabischen Ohren wie der Aufruf zur Vertreibung der Palästinenser, die im israelischen Kernland leben - und ein Fünftel der Bevölkerung stellen.

Mit einer Regierung, in der solch ein Mann Einfluss hat, könnten nicht einmal gemäßigte Palästinenser um Machmud Abbas Politik machen. Geschweige denn die Islamisten der Hamas. Die nennen alle drei führenden israelischen Politiker propagandistisch "Terroristen". Hamas-Sprecher Fawsi Barhoum sagt: "Die zionistischen Wähler haben die Kräfte mit den radikalsten Parolen unterstützt, diejenigen, die nach Krieg schreien."

Aber auch für andere, friedenswillige Kräfte wird es schwer werden mit der neuen Regierung. Da ist der Ägypter Hosni Mubarak. Der versucht den brüchigen Gaza-Waffenstillstand zwischen Israel und der Hamas zu stabilisieren. Und arbeitet daran, die innerpalästinensische Versöhnung einzuleiten: Mubarak will die Fatah von Palästinenserpräsident Abbas mit der Hamas an einen "Technokraten-Kabinettstisch" bringen.

Und die Palästinenser so als Einheit zum Frieden mit Israel fähig machen. Das kann er nicht schaffen mit einer klar anti-palästinensisch auftretenden israelischen Regierung als Gegenpart: Die Palästinenser sind Araber, Jerusalem ist aus arabischer Sicht eine arabische Stadt. Und Wirtschaftshilfe für die Westbank, während auf Gaza wieder Bomben fallen, wären auch für die friedenswilligen Araber in der Wiederholung kaum zu ertragen.

Das gilt ebenso für den Fall eines israelischen Angriffs auf Iran: Auch wenn die meisten gemäßigten Araber anti-iranisch eingestellt sind, wäre es für ihre Regierungen sehr schwer, die indirekte Zustimmung für einen Angriff den eigenen muslimischen Bürgern zu vermitteln. Einen Angriff auf Iran aber haben Netanjahu und Lieberman im Wahlkampf für notwendig erklärt, falls Iran den Bau seiner angeblich geplanten Atombombe ungehindert fortsetzen könne.

Bleibt Syrien als potentieller Friedenspartner der Israelis. Voraussetzung jeder Einigung wäre die Rückgabe der israelisch besetzten Golan-Höhen. Dies aber lehnen sowohl Netanjahu als auch Lieberman ab. Ohne den Golan ist jeder Frieden mit Israel für Syrien wertlos. Womit sich ein frustrierter Staatschef Baschar al-Assad möglicherweise in Zukunft noch deutlicher hin zum Lager der Israel-Gegner orientieren wird: in Richtung Iran, der libanesischen Hisbollah und Hamas.

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