Israel:Militär contra Netanjahu

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Die Armee malt ein düsteres Bild von der Lage im Gazastreifen und dringt auf wirtschaftlichen Aufschwung. Im Zentrum der Gedanken: der Bau eines Hafens. Dies aber würde der Blockadepolitik des Premiers widersprechen.

Von Peter Münch, Tel Aviv

Zwischen Israels Regierung und der Armeeführung herrscht ein Dissens über den Umgang mit dem Gazastreifen. Das Militär warnt wortreich vor einer neuen Gewaltexplosion in dem palästinensischen Küstengebiet - und dringt als Mittel zur Entspannung der Lage auf wirtschaftliche Verbesserungen für die dort eingeschlossenen fast zwei Millionen Bewohner. Die Regierung unter Premierminister Benjamin Netanjahu hat sich dagegen seit dem Krieg im Sommer 2014 einer weiter gehenden Lockerung der seit 2007 bestehenden Gaza-Blockade verschlossen.

Wie israelische Medien übereinstimmend berichten, malte der Chef des Militärgeheimdienstes, Generalmajor Hertzi Halevy, im Knesset-Ausschuss für Verteidigung in dieser Woche ein extrem düsteres Bild von den humanitären Zuständen in Gaza. Ohne Anstöße von außen zu Veränderungen, so wird er zitiert, drohe ein Kollaps, den Israel umgehend mit einer neuen Gewaltwelle zu spüren bekäme. Halevy bezog sich demnach auch auf einen UN-Bericht aus dem vorigen Herbst, in dem die Unbewohnbarkeit des Gazastreifens schon im Jahr 2020 prognostiziert wurde.

Der Bau eines Hafens soll Palästinensern ein Anreiz sein

Im Zentrum der Überlegungen, dem Gazastreifen eine wirtschaftliche Perspektive durch einen freieren Zugang von Gütern zu geben, steht nach einem Bericht der Zeitung Haaretz der Bau eines Hafens. Dies wird von der Hamas seit Langem gefordert, Verhandlungen darüber verliefen aber im Sande. Die Befürworter auf israelischer Seite, zu denen laut Haaretz neben Armeeführern auch einige politische Offizielle gehören sollen, sehen darin nun eine Möglichkeit, mit der Hamas zu einer langfristigen Waffenruhe zu kommen. Der Militärgeheimdienst-Chef Halevy bescheinigte der Hamas vor dem Parlamentsausschuss auch, sich derzeit für Ruhe rund um den Gazastreifen einzusetzen. Der vereinzelte Raketenbeschuss in den vergangenen Monaten wird salafistischen Splittergruppen zugeschrieben.

Für den Hafenbau sollen demnach fünf sehr unterschiedliche Modelle auf dem Tisch liegen - von einem eigens für Gaza-Güter einzurichtenden Umschlagplatz in Ägypten, Zypern oder im israelischen Aschdod bis hin zu Plänen, diesen Hafen auf einer vorgelagerten künstlichen Insel oder direkt an der Gazaküste zu errichten. Befürworter der letzten beiden Optionen argumentieren, dass allein der Bau Tausende Arbeitsplätze für die Bevölkerung von Gaza bringen würde. Die mehrjährige Bauzeit könnte zudem ein Anreiz sein, die Fertigstellung nicht durch neue Feindseligkeiten zu gefährden.

Von Netanjahu und seinem Verteidigungsminister Mosche Jaalon ist jedoch bekannt, dass sie keinesfalls die Kontrolle über den Güterverkehr nach Gaza verlieren wollen, weil sie Waffenschmuggel befürchten. Auch in eine mögliche Kontrolle durch Dritte wie die UN oder die EU haben sie kein Zutrauen. Unterstützung dürften solche Hafenpläne auch nicht bei der von der Fatah geführten palästinensischen Autonomiebehörde in Ramallah finden. Die lehnt alles ab, was das Ansehen der Erzfeinde von der Hamas in der Bevölkerung verbessern könnte.

© SZ vom 25.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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