Israel:Kollegenkrieg in Israels Parlament

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Ein neues Gesetz soll den Rauswurf von Abgeordneten erleichtern. Kritiker sehen darin eine Strategie, die Regierung zu stärken.

Von Peter Münch, Tel Aviv

Das israelische Parlament hat ein umstrittenes Gesetz verabschiedet, das den Ausschluss von Abgeordneten per Mehrheitsbeschluss ermöglicht. Als Grund für einen Rauswurf aus der Volksvertretung gilt die "Anstachelung zum Rassismus" sowie die "Unterstützung des bewaffneten Kampfs gegen den Staat Israel". Kritiker sehen in der Regelung, mit der die Türen für den Kollegenkrieg in der Knesset geöffnet werden, einen gezielten Schlag gegen die Vertreter der arabischen Minderheit. Sie gewannen bei der vergangenen Wahl 13 von 120 Mandaten und wurden damit zur drittstärksten Fraktion. Premierminister Benjamin Netanjahu sagte dagegen, das Gesetz setze "einer absurden Situation ein Ende: Wer den Terrorismus gegen den israelischen Staat und seine Bürger unterstützt, kann nicht mehr im israelischen Parlament sitzen".

Anlass für das Gesetz bot ein Vorfall im Februar: Da besuchten drei arabische Knesset-Abgeordnete die Familien palästinensischer Attentäter, die von israelischen Sicherheitskräften erschossen worden waren. In weiten Teilen der Öffentlichkeit war dies als Solidaritätsgeste verstanden worden. Die Abgeordneten wurden daraufhin für bis zu vier Monate suspendiert. Netanjahu kündigte fußend auf dem Volkszorn eine drastischere gesetzliche Regelung an.

Es wurden Maßnahmen beschlossen, die Kritiker der Regierung treffen sollen

Verabschiedet wurde nun eine Fassung, die gegenüber den ursprünglichen Entwürfen noch abgeschwächt wurde. Das Prozedere zum Ausschluss aus dem Parlament kommt in Gang, wenn dies von 70 Abgeordneten beantragt wird, zehn davon müssen der Opposition angehören. Ursprünglich sollte eine einfache Mehrheit von 61 Abgeordneten ausreichen. Der Ausschluss kann dann von einer Dreiviertelmehrheit, also mit 90 Stimmen, beschlossen werden. Er gilt bis zum Ende der Legislaturperiode, auch eine Kandidatur bei der nächsten Wahl ist nicht möglich. Den frei gewordenen Parlamentssitz nimmt ein Nachrücker aus derselben Partei ein. In Wahlkampfzeiten ist kein Ausschluss möglich.

Trotz der zahlreichen später eingefügten Einschränkungen dürfte das nach einer stürmischen Nachtsitzung mit 62 zu 47 Stimmen angenommene Gesetz die Gräben im Parlament und in der Gesellschaft weiter vertiefen. Als oberster Kritiker zeigte sich der aus Netanjahus Likud stammende Staatspräsident Reuven Rivlin. Das Parlament, so warnte er, dürfe nach einer demokratischen Wahl "nicht eigenmächtig die Entscheidung der Wähler infrage stellen". Oppositionsführer Isaac Herzog sprach von einem "schwarzen Schmutzfleck". Er warf der "Regierung des Hasses" vor, für den israelischen Staat "bedrohlicher als jeder äußere Feind" zu sein. Der Vorsitzende der Vereinigten Arabischen Liste warf den Urhebern Rassismus vor.

Das neue Gesetz fügt sich ein in ein Bündel von Maßnahmen, die Kritiker der Regierung treffen und mundtot machen sollen. So war vergangene Woche ein Gesetz verabschiedet worden, das linke Nichtregierungsorganisationen ins Visier nahm. Die Vereinigte Arabische Liste kündigte nun an, gegen das Ausschluss-Gesetz vor den Obersten Gerichtshof zu ziehen. Die Zeitung Haaretz zitierte allerdings auch einen namentlich nicht genannten Likud-Funktionär mit dem enttäuschten Fazit, dass dieses Gesetz ein "Fehlschlag" sei. Die Hürden für den Rauswurf seien deutlich zu hoch gelegt worden.

© SZ vom 21.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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