Israel:Kleinlaute Entschuldigung

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Das enge Verhältnis zwischen den USA und Israel ist auch von massiven Sticheleien geprägt. Doch nun muss sich ausgerechnet der Minister bei Washington entschuldigen, der sonst Diplomatie mit dem Vorschlaghammer betreibt.

Von Peter Münch, Tel Aviv

Streits und Sticheleien gehören fast zum Alltag in den israelisch-amerikanischen Beziehungen, seit Benjamin Netanjahu und Barack Obama an den Schalthebeln sitzen. Israels Regierungsvertreter demonstrieren dabei oft ein erstaunliches Selbstbewusstsein gegenüber dem großen Partner. Umso bemerkenswerter ist es also, wenn sich nun ein Jerusalemer Minister kleinlaut in Washington entschuldigen muss - und fast sensationell erscheint es, wenn es sich bei diesem Minister um Avigdor Lieberman handelt, der es doch zu seinem Markenzeichen gemacht hat, Diplomatie mit dem Vorschlaghammer zu betreiben. Doch offenbar ist dem israelische Verteidigungsminister nun ein Doppelfehler unterlaufen: Er ist zu weit gegangen, und das zur falschen Zeit.

Streitpunkt war wieder einmal Iran. Obama hatte sich die Bemerkung gegönnt, dass mittlerweile auch israelische Sicherheitsexperten die positiven Auswirkungen des Atom-Abkommens erkannt hätten. Liebermans Ministerium schlug mit einer Erklärung zurück, in dem der Iran-Deal mit dem Münchner Abkommen von 1938 verglichen wurde. Über die Gleichsetzung von Obama mit dem unglückseligen britischen Premier Neville Chamberlain, der Hitler das Sudetenland überließ, war niemand erfreut in Washington.

72 Stunden hat es gedauert, bis Lieberman leise sorry sagte. Es sei "nicht beabsichtigt gewesen, einen direkten Vergleich herzustellen, weder historisch, noch persönlich", hieß es in einer Erklärung. "Es tut uns leid, wenn das anders verstanden worden ist." Der geordnete Rückzug war wohl Liebermans einzige Option, nachdem ihn sein Regierungschef alleingelassen hatte. Netanjahu betonte, davon erst aus den Medien erfahren zu haben, und eilfertig versicherte er, dass "Israel keinen wichtigeren Partner als die USA" habe. Dabei dürfte den Premier der München-Vergleich eigentlich nicht gestört haben, da er selbst mit Blick auf Iran immer wieder die Lage mit 1938 verglichen und vor einem nuklearen Holocaust gewarnt hatte. Was Netanjahu störte, war das Timing: Denn just jetzt steht ein Abkommen vor dem Abschluss, das Israel in der nächsten Dekade eine US-Militärhilfe von 40 Milliarden Dollar sichern soll. Für diesen Preis kann man sich auch mal entschuldigen.

© SZ vom 10.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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