Israel:Früchte des Zorns

Misstrauen gegen die USA

Wolfgang Koydl

Niemand hätte je erwartet, den Ruf "Yankee go home" aus dem Munde von Israelis zu hören. Aber als Anthony Zinni, der vierschrötige Ex-Marine und neue Nahost-Beauftragte von US-Präsident George Bush, am Sonntag den Schauplatz der Bombenanschläge in Jerusalem besuchte, wurde er von der Menschenmenge dort so feindselig empfangen, wie es wohl noch keinem amerikanischen Emissär in Israel widerfahren ist.

Diese Reaktion illustriert, wie verfahren die Situation auch für die USA ist: Wenn bisher nur die Palästinenser davon überzeugt zu sein schienen, dass Washington einseitig Israels Interessen vertrat, so haben mittlerweile auch die Israelis den Glauben verloren, dass Amerika dem Zyklus der Gewalt in ihrem Land ein Ende bereiten könnte.

Präsident George Bush hat sich selbst in diese Position hineinmanövriert. Anders als sein Vorgänger Bill Clinton, der den israelisch- palästinensischen Konflikt zu seinem persönlichen Hauptanliegen gemacht hatte, wollte sich Bush von Anfang an nicht in den nahöstlichen Quicksand hineinziehen lassen.

Kein eigener Friedensplan

Bush, der seinen knappen Wahlsieg den Stimmen arabischer Amerikaner und den Spenden der jüdischen Lobby verdankt, hatte rasch erkannt, dass es für ihn in diesem Konflikt mehr zu verlieren als zu gewinnen gab.

Bislang hatten Bush und sein Außenminister Colin Powell die Linie vertreten, dass sich Israelis und Palästinenser zuerst auf einen Waffenstillstand einigen müssten, bevor Washington die verfeindeten Parteien an den Verhandlungstisch zurückbeordern könnte.

Einen eigenen Friedensplan legte die Administration nicht vor. Sie vertrat vielmehr die Meinung, dass mit den Empfehlungen der Kommission unter dem ehemaligen US-Senator George Mitchell ein vernünftiges und allseits akzeptables Konzept vorliege. Auch Powell verwies in seiner mehrmals verschobenen Grundsatzrede zum Nahost- Problem kürzlich im Wesentlichen wieder auf den Mitchell-Plan.

Den USA traut niemand mehr

Zugleich versuchte Bush den Eindruck amerikanischer Objektivität zu erwecken, indem er Israelis und Palästinenser gleichermaßen in Harnisch brachte. Die israelische Regierung empörte er mit der Forderung nach einem palästinensischen Staat; den Zorn der Palästinenser wiederum zog er sich mit seiner hartnäckigen Weigerung zu, deren Vorsitzenden Jassir Arafat zu treffen. Das Ergebnis dieser Politik: Heute traut den USA niemand mehr.

Nach den jüngsten Anschlägen von Jerusalem und Haifa wird es für Bush unmöglich sein, diese distanzierte Position beizubehalten. Die ersten Bemerkungen des Präsidenten erlauben den Schluss, dass Amerika sich eindeutiger als bisher hinter Israel stellen und den Druck massiv auf Arafat erhöhen wird, seine gewaltbereiten Gegner innerhalb der palästinensischen Bewegung auszuschalten.

Ein solcher Kurs freilich bliebe nicht ohne Auswirkungen auf den Krieg, den Amerika zurzeit in Afghanistan gegen den Terrorismus führt. Eine Parteinahme für Israel könnte die arabischen Mitglieder der Anti-Terror-Koalition in höchste innenpolitische Not bringen und die Koalition gefährden. Damit aber wird eine Binsenweisheit in Erinnerung gerufen: Wer den Terror bekämpfen will, muss seine Wurzeln bekämpfen. Sie liegen nicht in Afghanistan, sondern in Palästina.

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