Israel:Friedensappelle nach einem Leben im Kampf

Wie mehr als 200 ehemalige führende Offiziere aus der Armee des Landes und Größen aus den Geheimdiensten die umstrittene Zwei-Staaten-Lösung doch noch retten wollen.

Von Peter Münch, Jerusalem

Dass in Israel die Generäle für den Frieden zuständig sind, gilt spätestens seit Jitzchak Rabin als eine in Stein gemeißelte Wahrheit. Vor dem Eintritt in die Politik hatte der Friedensnobelpreisträger und Premier schließlich als Generalstabschef der Armee gedient. Auf ganz andere Art bestätigt auch Benjamin Netanjahu, der heute Rabins Erbe als Regierungschef verwaltet, die alte Weisheit. Beim Militär hat er es nur zum Hauptmann gebracht - und in Sachen Frieden hat er noch gar nichts bewegt. Folglich erscheint es nur logisch, dass sich nun die Generäle wieder einmischen.

Mehr als 200 ehemalige Größen aus Armee, Geheimdiensten und Polizei haben sich zusammengeschlossen zu einer Organisation namens "Kommandeure für Israels Sicherheit". Nach anderthalbjähriger Vorbereitung haben sie jetzt einen detaillierten Plan vorgelegt, mit dem sie der eigenen Regierung den Weg zu einem friedlichen Ausgleich mit den Nachbarn weisen wollen. Blauäugigkeit wird ihnen keiner vorwerfen können, denn zusammengenommen verfügen die Verfasser über 6500 Jahre Erfahrung im israelischen Sicherheitsapparat. Für Netanjahu, der sich bei seinen Wahlkämpfen stets als einziger Garant für Israels Sicherheit präsentiert, können die friedensbewegten Veteranen also durchaus zu einer gefährlichen Herausforderung werden - zumal sich in jüngster Zeit ohnehin schon ein Graben aufgetan hat zwischen der Regierung und dem Sicherheitsapparat.

Die pensionierten Kommandeure fordern einen Stopp des Siedlungsbaus

Netanjahus stets aktionistisch verbrämte Untätigkeit ist die Hauptmotivation für die früheren Kommandeure. "Der derzeitige Status quo ist eine gefährliche Illusion", sagt der pensionierte Generalmajor Amnon Reschet, der den Vorstoß der alten Garde anführt, am Dienstag vor Journalisten in Jerusalem. Mit dem nun vorgelegten Plan "Sicherheit zuerst" soll der Stillstand überwunden und die Zwei-Staaten-Lösung gerettet werden, selbst wenn die derzeitigen Umstände keine schnelle Gesamtlösung erwarten lassen. "Ich sage nicht, dass wir keinen Partner für den Frieden haben", erklärt Reschet, "aber wir müssen keinen Partner haben, um unsere Initiative in Gang zu bringen."

Statt den Status quo zu verwalten, müsse Israels Regierung "proaktiv" handeln, verlangen die Ex-Kommandeure. Dazu gehört für sie eine "prinzipielle Anerkennung" der arabischen Friedensinitiative von 2002, die Israel bei einem Ausgleich mit den Palästinensern die Anerkennung der gesamten Arabischen Liga verspricht. Auf dem langen Weg dorthin seien jedoch erst einmal konkrete sicherheitspolitische, diplomatische und wirtschaftliche Schritte nötig. Als Signal setzen sie auf einen Baustopp außerhalb der großen Siedlungsblöcke, die auch in diesem Konzept in jedem Fall bei Israel bleiben sollen. Für eine klare Trennung von den Palästinensern soll die Fertigstellung des sogenannten Sicherheitszauns sorgen. Siedler jenseits dieser Sperranlage sollen mit Kompensationsversprechen zum Rückzug animiert werden. Zugleich soll durch wirtschaftliche Erleichterungen der Lebensstandard der Palästinenser im Westjordanland und im Gazastreifen angehoben werden. "Wir können den von dort kommenden Terror nicht mit Kraft allein besiegen", sagt Rolly Gueron, der sein Leben beim Mossad verbracht hat.

Es spricht daraus die Erfahrung jahrzehntelanger Kämpfe. "Jeder von uns hat dem Land lange gedient, und am Ende fragst du dich, was wir unseren Kindern und Enkeln übergeben können", sagt der 77-jährige Amnon Reschet. "Deshalb müssen wir nun alles tun, um die Richtung zu ändern." Premier Netanjahu empfiehlt er, das 67-seitige Konzept als Ganzes zu übernehmen, von "Teilen der Regierung" gebe es bereits "positive Rückmeldungen". Fragt man die Initiatoren, was ihren Plan von früheren Vorstößen zum Frieden unterscheidet, dann hört man allerdings vor allem den Mut der Verzweiflung heraus: "Den Luxus des Pessimismus können wir uns nicht leisten", sagt Rolly Gueron, der Mann vom Mossad. "Von fehlgeschlagenen früheren Versuchen dürfen wir uns nicht entmutigen lassen."

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