Israel:Der unvermeidliche Herr Lieberman

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Der Rechtsextremist Avigdor Lieberman war als Außenminister Israels nicht zu verhindern - Obama kann bewirken, dass er ohne Einfluss bleibt.

Avi Primor

Die Regierung, die am Dienstag dem israelischen Parlament präsentiert wird, ist nur scheinbar eine ausgewogene Koalition des rechten und des linken Lagers. In Wirklichkeit handelt es sich um eine Rechtskoalition mit einem sehr geschwächten und geschrumpften linken Partner, der Arbeitspartei.

Er wurde zum Königsmacher: Avigdor Lieberman, Vorsitzender der ultra-nationalistischen Partei "Unser Haus Israel". (Foto: Foto: AP)

Und diese hat in der Koalition nur eine Aufgabe: Sie soll dem rechten Lager als Feigenblatt dienen, und dies sowohl in Israel als auch - und vor allem - im Ausland. Die Methode, sich ein linkes Feigenblatt zu halten, ist für eine rechte Regierung nicht neu.

Schon als Menachem Begin 1977 als Chef des Likudblocks Regierungschef wurde, holte er den Spitzenpolitiker der Arbeitspartei, Moshe Dayan, an seine Seite. Sobald die Welt sich an Begins Regierung gewöhnt hatte, war Dayan für Begin nicht mehr nützlich.

Und der heutige Staatspräsident Schimon Peres machte eine ähnliche Erfahrung, als er sich als Vorsitzender der Arbeitspartei der rechten Scharon-Regierung anschloss. Schließlich übernahm die Arbeitspartei auch eine Nebenrolle in der nun aus dem Amt scheidenden Regierung Olmert.

Arbeitspartei im Abwärtstrend

Diese Haltung kostete der Arbeitspartei jedoch öffentlichen Rückhalt. Konnte sie vor 20 Jahren noch 40 Prozent der Wähler gewinnen, so erzielte sie bei den vergangenen Wahlen nur noch elf Prozent. Und nun dies: Nicht nur, dass sie erneut als Juniorpartner an der Regierung teilnimmt.

Erstmals ist sie darin nur noch drittgrößte Partei, nach Avigdor Liebermans rechtsnationalistischer Partei Israel Beitenu ("Unser Haus Israel"). Darüber hinaus weiß Netanjahu, dass er auch ohne sie im Parlament eine Mehrheit bekäme. Insofern wird die Arbeitspartei keinerlei Druckmittel in der Hand haben - und ihre Nützlichkeit als Feigenblatt wird sich erledigt haben, sobald Netanjahu fest im Sattel sitzt.

Wie ist es zu einer solchen Situation gekommen? Als Ministerpräsident Ehud Olmert im Herbst zum Rücktritt gedrängt worden war, sah es so aus, als würde seine Kadima-Partei - unter Leitung der Außenministerin Tzipi Livni - die vorgezogenen Wahlen gewinnen.

Auch schien es so zu sein, dass sie sich eine bequeme Koalition - möglicherweise mit der damals noch nicht ganz zermürbten Arbeitspartei - würde leisten können. Dann jedoch brach der Gaza-Krieg aus.

Fast die gesamte jüdische Bevölkerung Israels betrachtete diesen Krieg als gerechtfertigt. Warum die Hamas ihn entfesselte, interessierte und interessiert bis heute die meisten Israelis nicht.

Wenn sie überhaupt darüber nachdenken, kommen sie bestenfalls zu dem Schluss, dass eine terroristische, islamistische Bewegung, deren Ziel die Vernichtung Israels ist, keinerlei Vorwand benötigt, um anzugreifen. Und die Kriegsstimmung spielte wie immer dem rechten Lager zu.

Israelisches Verständnis für die Hamas

In der aufgeheizten Atmosphäre duldet die Bevölkerung keinen Widerspruch gegen den Krieg, und erst recht kein Verständnis für den Feind.

Unter den israelischen Arabern, also unter den Angehörigen jener Minderheit der Bevölkerung, die sich als Palästinenser mit israelischem Pass definiert, gab es weniger Zustimmung zum Krieg und viel mehr Verständnis für die Palästinenser in Gaza respektive die Hamas.

Es kam zu Demonstrationen, gelegentlich sogar zu provokativen Kundgebungen zugunsten der Hamas, bei denen deren Flagge geschwenkt wurde.

Parteien in Israel
:Gewinner und Verlierer

Tzipi Livnis Kadima ist überraschend auf Platz eins gelandet, dennoch kommt es wohl zu einer nationalistischen Regierung unter Benjamin Netanjahu. Welche Partei wie abgeschnitten hat und wie die künftige Koalition aussehen könnte.

Damit ist Lieberman zu einem unentbehrlichen Faktor geworden. Denn ein Dreierbündnis aus Netanjahus Likud, der Kadima von Tzipi Livni und der Arbeitspartei von Ehud Barak - das rechnerisch in der Knesset eine Mehrheit gehabt hätte - war nie eine Option.

Livni stellte dafür zwei Bedingungen: Netanjahu müsse den Palästinensern das Recht auf einen eigenen Staat zubilligen, und sie beide müssten sich als Premier abwechseln. Beides lehnte Netanjahu rigoros ab.

Eine Frage des Regierens

Also wurde Lieberman zum Königsmacher. Und so konnte er Netanjahu zwingen, ihm das Auswärtige Amt zu überlassen, obwohl jedermann weiß, dass er in der internationalen Arena und ganz besonders in Israels Nachbarschaft wie ein rotes Tuch wirken wird.

Lieberman hat mehrfach den absolut unentbehrlichen Partner Israels, den ägyptischen Präsidenten Hosni Mubarak, bedroht und beleidigt.

Mit der Ernennung Liebermans zahlt Netanjahu allerdings nicht nur einen hohen Preis, was die internationale Beziehungen betrifft.

Damit löst er auch Spannungen innerhalb seiner eigenen Likud-Partei aus, wo der sehr einflussreiche ehemalige Außenminister Silvan Schalom Ansprüche auf das Amt erhebt. Mit anderen Worten: Vorteile verspricht sich Netanjahu von dieser Ernennung nicht. Sie war für ihn lediglich eine Frage von Regieren oder Nichtregieren.

Entscheidend für Netanjahu wird aber die amerikanische Regierung sein, und dies sowohl, was Friedensverhandlungen mit den Palästinensern als auch solche mit Syrien betrifft (und Letzteres sogar sofort). Wenn die Amerikaner einen Friedensprozess erzwingen wollen, brauchen sie nicht mehr zu tun, als der israelischen Regierung ihre Haltung klarzumachen.

Jeder israelische Politiker weiß, dass Israel vollkommen von den Amerikanern abhängig ist und sich nicht den geringsten Widerstand gegen deren Willen leisten kann. Wenn die amerikanischen Präsidenten diese Macht bis heute nie in Anspruch genommen haben, so gab es dafür nur einen Grund: die massive, bedingungslose Unterstützung Israels seitens der amerikanischen Bevölkerung.

Die Wende in Amerika besteht nicht nur in der revolutionären Politik Obamas. Sie bedeutet auch einen Umschwung in der öffentlichen Meinung über den Nahen Osten. Das christlich-fundamentalistische Lager steht nicht mehr so solide hinter Israel wie bisher.

Überdies wünscht sich die große Mehrheit der jüdischen Bevölkerung Amerikas zum ersten Mal eine energische Friedenspolitik im Nahen Osten. Obama hat also einen wesentlich größeren Spielraum als irgendein amerikanischer Präsident seit 1967. Und in Amerika ist Lieberman kein Königsmacher.

© SZ vom 30.03.2009/jree - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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