Israel:Der Kronzeuge

Netanjahu

Spricht von „Hexenjagd“: Premier Netanjahu.

(Foto: Abir Sultan/dpa)

Premier Netanjahu gerät nun auch offiziell unter Korruptionsverdacht. Sein Ex-Stabschef will aussagen.

Von Moritz Baumstieger

Schon die vergangenen Tage waren nicht angenehm für Benjamin Netanjahu: Während die Sonne über Jerusalem glühte, erhitzten sich die Gemüter rund um den Tempelberg. Zwei Wochen schwebte die Gefahr einer neuen Intifada über der Stadt, dann gab Israels Premier nach und ließ alle neu installierten Sicherheitsmaßnahmen demontieren. Während der rechte Flügel der Regierung ihn noch öffentlich attackierte, vor den Palästinensern kapituliert zu haben, vertiefte sich eine diplomatische Krise mit dem Nachbarn Jordanien. Ende Juli löste Sohn Yair einen kleinen Skandal aus, als er sich weigerte, das Häufchen des Familienhundes Kaiya einzusammeln, am Mittwoch verhörte die Polizei Netanjahus Frau Sara wegen Missbrauchs öffentlicher Gelder.

Doch der Sommer des Schreckens sollte noch einen neuen Tiefpunkt bereithalten für den Premier: In der Nacht zum Freitag wurde ein Dokument öffentlich, laut dem die Polizei ein Gericht darüber informierte, dass sie Netanjahu in zwei Korruptionsfällen nun als Verdächtigen führt. Eine Anklage wegen Bestechlichkeit, Untreue und Betrugs ist damit deutlich wahrscheinlicher geworden, bisher wurde nur ermittelt. Und als wäre das nicht genug, haben die Fahnder eine Übereinkunft mit einem Mann erreicht, der einstmals einer der engsten Vertrauten des konservativen Politikers war: Ari Harow, von 2014 bis 2015 Stabschef im Büro Netanjahu, hat sich mit dem Team um Generalstaatsanwalt Avichai Mandelbilt auf einen Status als Kronzeuge geeinigt, wie die Polizei am Freitag mitteilte.

Harow, der selbst unter anderem wegen Bestechlichkeit unter Verdacht steht, akzeptierte laut den Behörden eine Strafe in Höhe von 700 000 Schekeln (fast 175 000 Euro) und einem halben Jahr gemeinnütziger Arbeit. Im Gegenzug werde "der Zeuge alle Informationen bereitstellen, die er besitzt", heißt es in der Stellungnahme der Ermittler. Eine frühere Beraterin Netanjahus hatte einen möglichen Deal mit Harow in einem Interview als "politische Bombe" bezeichnet, da der als Stabschef nicht nur Einblick in Staatsgeheimnisse hatte, sondern seinem Chef auch die Finanzen führte und sich um Spenden kümmerte.

Die Behörden interessieren sich derzeit in gleich drei Fällen für die Verstrickungen des Premierministers: Im sogenannten "Fall 3000" untersucht der Generalstaatsanwalt Unregelmäßigkeiten beim Kauf dreier deutscher U-Boote, die Netanjahu 2015 entgegen der Empfehlung hoher Militärs orderte. Mitte Juli setzte die Bundesregierung das Geschäft wegen Korruptionsverdachts vorerst aus, Netanjahu gilt hier bisher nur als Zeuge, sein Cousin und persönlicher Anwalt jedoch als Verdächtiger. David Shimron vertrat auch den israelischen Vertreter von ThyssenKrupp, der das Geschäft einfädelte.

In den Fällen "1000" und "2000" hingegen zielen die Vorwürfe auf den Premier selbst: Netanjahu soll zum einen widerrechtlich Geschenke von Unternehmern im Wert von mehreren Zehntausend Dollar angenommen haben, zum anderen einem Verleger Vergünstigungen in Aussicht gestellt haben, wenn der im Gegenzug für freundlichere Berichterstattung in der auflagenstarken Zeitung Yediot Ahronot sorgt, die Netanjahu regelmäßig mit kritischen Artikeln piesackte.

Um die Vorwürfe zu dementieren, nutzte der Premier am Freitag denn auch lieber das Radio und seine Facebookseite. "Wir weisen die unbegründeten Behauptungen gegen den Ministerpräsidenten komplett zurück", hieß es dort in einer Stellungnahme. Ziel der "Hexenjagd" sei "die Ablösung der Regierung". Man werde jedoch nichts finden, "weil es nichts gibt".

Bereits im Frühjahr hatte ein Vertrauter Netanjahus angekündigt, dass dieser sich von möglichen Prozessen nicht beeindrucken lassen werde. Der Premier habe "keine Absicht zurückzutreten, selbst wenn er angeklagt wird", sagte im März David Bitan, Abgeordneter der Likud-Partei. Dem Büro des Premiers könnte nach dem unangenehmen Sommer nun ein heißer Herbst bevorstehen.

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