Israel:Chrismukka

Kassissieh wears a Santa Claus costume as he rides a camel during an annual Christmas tree distribution by the Jerusalem municipality, in Jerusalem's Old City

Konsumistischer Götzendienst? Weihnachtsmann in Jerusalem.

(Foto: Amir Cohen/Reuters)

Weihnachten? Doch nicht im jüdischen Kalender. Trotzdem überschwemmt gerade eine Weihnachtswelle den jüdischen Staat. Der Zauber des Fests wird Mode in Israel, eine Folge des Konsums. Viele Rabbiner bringt das auf die Palme beziehungsweise Tanne.

Von Peter Münch

Wir schreiben das Jahr 5777, und Heiligabend ist der 24. Tag des Monats Kislev. Weihnachten? Doch nicht im jüdischen Kalender. Der jüdische Staat jedoch wird trotzdem gerade von einer Weihnachtswelle überschwemmt. In den Geschäften liegen Schoko-Weihnachtsmänner aus, in den Städten wachsen Weihnachtsbäume in den Himmel, und zu Hause lässt mancher ein geschmücktes Plastikbäumchen blinken. Liebend gern geben sich immer mehr Israelis dem Weihnachtszauber hin - auch wenn das die ultra-orthodoxen Rabbiner auf die Palme beziehungsweise Tanne bringt.

Die Gründe sind vielfältig: Zum einen ist es ein Ergebnis jener globalen Konsumkultur, die zum Beispiel den Deutschen Halloween beschert hat. Jeder will an allem teilhaben. Zudem ist Weihnachten ein gutes Geschäft im Heiligen Land. Zwar leben in Israel mit seinen mehr als acht Millionen Einwohnern nur rund 150 000 Christen. Doch gerade zu den christlichen Feiertagen strömen Pilger und Touristen ins Land. Überdies tragen in Israel auch die seit den 1990er-Jahren eingewanderten Russen zum Weihnachtsboom bei. Die meisten sind zwar jüdischen Glaubens, aber oft mit Weihnachtsriten aufgewachsen und vor allem baumverliebt.

Doch gerade die Weihnachtsbäume sind es, die in diesen Tagen Streit auslösen. Anfang Dezember hatten die beiden Jerusalemer Chef-Rabbiner den Hoteliers der Stadt ein Schreiben geschickt, um "daran zu erinnern, dass das Aufstellen eines Weihnachtsbaums die Halacha verletzt", das jüdische Recht also. In Haifa hat der Rabbiner der Technischen Universität allen jüdischen Studenten verboten, die Mensa zu betreten, weil im Gebäude ein Weihnachtsbaum aufgestellt wurde. Er hält das für "anti-jüdisch" und für Götzendienst. Der Baum sei "nicht einmal ein christliches Symbol, sondern, schlimmer noch, ein heidnisches".

So kommt man also auch beim Fest des Friedens ins religiöse Kampfgetümmel. Im Vorjahr hatte ein rechtsextremer Rabbiner gefordert, Weihnachten in Israel generell zu verbieten und die "Vampire" - gemeint waren die Christen - zu vertreiben. Brandanschläge und Schmierereien auf Kirchen dürfen als Folge solcher Hetze gelten. Immerhin steuert die Regierung nun dagegen. Premierminister Benjamin Netanjahu verschickte in dieser Woche per Youtube-Video Weihnachtsgrüße an die "christlichen Brüder und Schwestern". Er stand dabei in einem Palmengarten, doch ganz hinten war ein kleiner, mit bunten Kugeln geschmückter Weihnachtsbaum erkennbar.

In diesem Jahr bietet sich überdies eine perfekte Gelegenheit zum religionsübergreifenden Feiern. Heiligabend fällt zusammen mit dem ersten Abend des jüdischen Lichterfests Chanukka. Vielerorts werden deshalb nun Chrismukka-Partys organisiert, und die passende Dekoration dazu gibt es in Tel Aviv zu kaufen: Es ist ein Elch, dessen Geweih die acht Chanukka-Kerzen trägt.

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