Israel:Brandreden

Arson Suspected As Wild Fires Rage Across Israel

Brandstiftung oder nicht? Ein Soldat hilft beim Löschen in Israels drittgrößter Stadt Haifa.

(Foto: Lior Mizrahi/Getty)

Nach den Feuern in Haifa und anderen Landesteilen macht in Israel der Vorwurf einer neuen Intifada die Runde. Auch die arabische Seite schlachtet die Feuerkatastrophe politisch aus.

Von Peter Münch, Tel Aviv

In Haifa wütet ein Höllenfeuer, auch andernorts in Israel brennt es lichterloh - und als ob das nicht schon schlimm genug wäre, ist nun auch noch eine hitzige politische Schulddiskussion entbrannt. Von den mehr als 200 Feuern landesweit sei die Hälfte absichtlich gelegt worden, erklärt der für öffentliche Sicherheit zuständige Minister Gilad Erdan. Von "nationalistischen Motiven" spricht Polizeichef Roni Alscheich, und Premierminister Benjamin Netanjahu nennt die Brandstiftung schlicht Terror. "Jeder, der versucht, Teile des Staates Israel zu verbrennen, wird hart bestraft werden", kündigt er an. In den Medien ist bereits von einer "Feuer-Intifada" die Rede. So lodern die Flammen hoch an allen Fronten, und die Schäden sind noch nicht abzusehen.

Die politischen Brandreden überlagern einen Katastropheneinsatz, der zu den größten in der Geschichte des Landes zählt. Feuer in diesem Ausmaß hatten Israel zuletzt 2010 heimgesucht, damals waren 44 Tote zu beklagen. Diesmal blieb es bislang bei mehr als 130 Verletzten. Dramatisch ist die Lage dennoch, weil sich die Brände aufgrund der Trockenheit und unterstützt von heftigen Winden rasend schnell ausbreiten. In Haifa, der drittgrößten Stadt des Landes, mussten mit Hilfe der Armee mehr als 60 000 Bewohner evakuiert werden. Am Freitag meldete die Feuerwehr dann, die Brände dort seien bis auf Weiteres unter Kontrolle. Doch in anderen Teilen des Landes - in Nazareth im Norden, im zentral gelegenen Jerusalem und bis weit hinunter in den Süden - kämpfen die Feuerwehrkräfte noch weiter am Rande der Erschöpfung.

Dringend benötigte Hilfe kommt auch aus dem Ausland. Die Verbündeten aus den USA schickten das weltgrößte Löschflugzeug, eine Boeing 747 mit acht Wassertanks, die fast 100 000 Liter fassen. Auch Italien, Kroatien, Griechenland und Zypern schickten Maschinen. Russlands Präsident Wladimir Putin sagte Netanjahu am Telefon zwei Flugzeuge zu, und sogar die Türkei, die nach langer Eiszeit gerade erst wieder die Beziehungen zu Israel normalisiert hat, gewährt Unterstützung. Vier Feuerwehrzüge rückten indes auch aus dem palästinensischen Westjordanland nach Jerusalem und Haifa aus.

Gedacht ist das gewiss als Geste des guten Willens. Konterkariert wird dies jedoch quer durch die arabische Welt durch niederträchtige Kommentare in den sozialen Medien. Ein Hamas-Sprecher aus Gaza schlägt den Bogen zu einem geplanten Gesetz in Israel, das den Gebetsruf von Minaretten einschränken soll: "Sie wollen den Muezzin-Ruf verbannen und Allah lässt Feuer auf sie niederregnen", heißt es da. Auch auf Twitter ist unter dem Hashtag "Israel is burning" viel von Gottes Strafe die Rede. Schadenfreude mischt sich da mit offenen Aufrufen zur Brandstiftung.

In welchem Ausmaß Letzteres tatsächlich für die Brände verantwortlich ist, wird nun zu untersuchen sein. Der Inlandsgeheimdienst Schin Bet wurde dafür eingeschaltet. Zwölf Verdächtige sind bereits festgenommen worden. Manchen Ministern dient das als Steilvorlage: "Nur jemand, dem das Land nicht gehört, ist in der Lage, es anzuzünden", erklärt Erziehungsminister Naftali Bennett von der Siedlerpartei Jüdisches Heim. Kulturministerin Miri Regev aus dem Likud bläst zur Jagd "auf die Terroristen, die unsere Wälder verbrennen". Ihr Parteikollege Amir Ohana sieht schon den Beweis dafür erbracht, dass den Brandstiftern "mehr daran gelegen ist, den einzigen jüdischen Staat zu zerstören als einen 22. arabischen Staat zu gründen".

Von palästinensischer Seite werden die Vorwürfe entrüstet zurückgewiesen. Sie seien "grundlos und unzutreffend", sagt ein PLO-Sprecher in Ramallah. Ayman Odeh, der die Vereinigte Arabische Liste im israelischen Parlament anführt, klagt über all jene, "die die schreckliche Situation nutzen wollen, um die Menschen gegen eine andere Bevölkerungsgruppe aufzuhetzen". Odeh stammt selbst aus Haifa. "Alle, die unsere Heimat lieben, müssen sich nun darauf konzentrieren, die Flammen zu besiegen statt den Hass anzufeuern." Er wisse nicht, wer die Feuer gelegt habe. Aber sollten die Brandstifter Araber sein, so sagt er, dann müssten sie "hart bestraft" werden.

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