Israel:Boykott gegen die Siedlungen

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Plakate werben für neue Siedler-Wohnungen im Ostteil Jerusalems. (Foto: dpa)

Premier Netanjahu macht es sich zu leicht, wenn er die Boykottbewegung gegen israelische Siedlungen als antisemitisch delegitimiert. Arrogant lässt er alle Proteste gegen neue Bauten in den besetzten Gebieten abperlen.

Ein Kommentar von Peter Münch, Tel Aviv

Für den Premierminister ist der Fall klar: Wer Israel boykottiert, der ist ein Antisemit. "In der Vergangenheit haben sie jüdische Geschäfte boykottiert, nun boykottieren sie den jüdischen Staat", erklärt Benjamin Netanjahu. So zieht er eine direkte Linie von der Nazi-Parole "Kauft nicht bei Juden" zu all jenen Ländern, Institutionen, Unternehmen und auch Konsumenten, die heute wegen der Politik gegenüber den Palästinensern wirtschaftlichen Druck auf Israel ausüben wollen. Doch so naheliegend und bedrückend diese Analogie auch ist, so wichtig ist in dieser Frage auch die Differenzierung.

Tatsächlich ist die Waffe des Boykotts ein zweischneidiges Schwert. Es gibt gewiss jene Ewiggestrigen und Ewigdummen, für die die Boykottdebatte nur ein Vehikel ist, um den Staat Israel zu delegitimieren. Aber Israels Regierungschef macht es sich viel zu leicht, wenn er mit Verweis darauf im Gegenzug die gesamte Boykottbewegung delegitimiert. Denn jenseits der alten und schrecklichen Muster speist sich diese Bewegung aus dem weltweit wachsenden Ärger über die Politik der Jerusalemer Regierung.

Netanjahu und die Seinen zeigen sich schon lange immun gegen jede Kritik aus dem Ausland. Arrogant lassen sie alle Proteste gegen neue Siedlungsbauten an sich abperlen, routiniert spielen sie im Friedensprozess auf Zeit und schaffen derweil Fakten mit fortgesetztem Landraub. Keine internationalen Friedenspläne, keine Lockungen und keine Warnungen haben verhindern können, dass sich so seit den Osloer Verträgen von 1993 die Zahl der jüdischen Siedler im besetzten Westjordanland mehr als verdreifacht hat.

Auch in Israel gibt es Boykott-Befürworter

Es ist also Israels Selbstherrlichkeit bei der Besatzung und Besiedelung fremden Landes, welche die Boykottdebatten entflammt. Selbst die engsten Freunde und Verbündeten müssen sich irgendwann fragen, was sie noch tun können, um ihren Positionen endlich Geltung oder zumindest Gehör zu verschaffen. Dabei geht es nicht darum, den jüdischen Staat pauschal zu bestrafen - schon gar nicht deshalb, weil er jüdisch ist. Aber es ist durchaus legitim, trotz aller historischen Last auch gegenüber Israel die seit Jahren wirkungslos beklagten Verstöße gegen internationales Recht nicht weiter tatenlos hinzunehmen. Die EU also handelt nur folgerichtig, wenn sie nun darauf besteht, in Kooperationsabkommen sicherzustellen, dass dabei keine Siedlungsprojekte gefördert werden. Und auch der mündige Verbraucher hat das Recht, anhand klarer Herkunftsbezeichnungen zu entscheiden, ob er Waren aus den Siedlungen kaufen will.

Auch in Israel gibt es im Lager der Friedensbewegten genügend Leute, die diese Art von Siedlerboykott nicht nur befürworten, sondern selbst befolgen. Sie tun das in dem Bewusstsein, dass die Besetzung des Westjordanlands und der Siedlungsbau Israels Gesellschaft von innen her zerfrisst. Wenn Netanjahu einen solchen Boykott dennoch pauschal als antisemitisch verurteilt, greift er dabei mit Absicht viel zu kurz.

© SZ vom 19.02.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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