Israel:Bedrängt von allen Seiten

Ministerpräsident Benjamin Netanjahu könnte weiteren Militäraktionen gegen Syrien und Iran zustimmen. Will er von innenpolitischen Problemen ablenken?

Von Alexandra Föderl-Schmid, Tel Aviv

Es war ein Gespräch zwischen Israels Premierminister Benjamin Netanjahu und Russlands Präsident Wladimir Putin, das die Kriegsgefahr im Nahen Osten am Wochenende abgewendet hat - vorerst. Das jedenfalls berichtet die israelische Zeitung Haaretz und beruft sich auf Regierungskreise, wonach vor dem Telefonat in Jerusalem eine militante Linie vertreten worden sei. Es seien weitere militärische Aktionen erwogen worden, nach dem Anruf sei es aber zu keiner Umsetzung gekommen. Der russische Präsident habe Netanjahu um Zurückhaltung gebeten mit dem Argument, alles andere hätte "gefährliche Konsequenzen für die Region".

Schon seit Wochen drängen ranghohe Armeevertreter Netanjahu, einen Präventivschlag zu führen. Sie fühlen sich durch die Ereignisse am Wochenende bestätigt. Israel hatte am Samstag eine iranische Drohne über seinem Luftraum entdeckt und abgeschossen. Danach griff Israel Ziele in Syrien an, die syrische Abwehr traf einen Jet, der über israelischem Gebiet abstürzte. Es waren die schwersten Auseinandersetzungen zwischen Israel, Syrien und Iran seit Ausbruch des Kriegs 2011.

Putin soll Netanjahu überzeugt haben, es bei den Angriffen zu belassen. Netanjahu soll dafür im Gegenzug verlangt haben, dass Russland eine Ausbreitung des iranischen Einflusses in Syrien stoppt. Iran hat nach israelischen Angaben Produktionsstätten für Waffen in Syrien errichtet, von dort komme Nachschub für die ebenfalls mit Israel verfeindeten Hisbollah-Milizen im Libanon. Die israelische Armee geht davon aus, dass die Hälfte der syrischen Luftabwehr zumindest schwer beschädigt worden ist. Gerätselt wird noch immer, mit welchem Ziel die iranische Drohne in Syrien Richtung Israel losgeschickt wurde. "Es kann alles sein - von einer Geheimdienstoperation bis hin zum Angriff. Es kann auch sein, dass sie unsere Fähigkeiten und unsere Alarmbereitschaft testen wollten, wie stark wir den Luftraum überwachen", sagt Luftwaffenplanungschef Tomer Bar. Die Armee untersuchte am Montag Trümmer der Drohne, die ein Nachbau eines US-Modells sein soll.

Im gesamten Norden Israels wurde in den vergangenen Tagen die Luftabwehr massiv verstärkt. Das ist auch ein Zeichen gegenüber Moskau, dass sich Israel auf eine weitere Eskalation vorbereitet.

Dass Netanjahu doch noch seine Zustimmung für einen größeren Einsatz der Armee geben könnte, um von seinen eigenen Problemen abzulenken, darüber wird in Israel heftig spekuliert. Denn die Polizei hat die Ermittlungen wegen Korruptionsverdachts gegen den Ministerpräsidenten in zwei Fällen abgeschlossen. In dieser Woche wollte die Polizei ihre Empfehlungen bekannt geben, allerdings will der Generalstaatsanwalt noch ein Urteil des Obersten Gerichts abwarten. Ein Abgeordneter hatte verlangt, dass die Empfehlung nicht öffentlich gemacht werden darf.

Auch Netanjahu selbst rechnet damit, dass die Ermittler Anklage gegen ihn empfehlen werden

Auch Netanjahu selbst rechnet damit, dass die Ermittler Anklagen gegen ihn empfehlen werden - die endgültige Entscheidung liegt beim Generalstaatsanwalt. Zwischen Netanjahu und Polizeichef Roni Alscheich gab es in den vergangenen Tagen bereits eine öffentlich ausgetragene Auseinandersetzung. Der Polizeichef behauptete in einem Interview, "mächtige Persönlichkeiten" hätten in Auftrag gegeben, dass Informationen über Polizeibeamte "erschnüffelt" werden, die sich mit Netanjahus Korruptionsfällen beschäftigten. Netanjahu fühlte sich angesprochen und reagierte: "Es ist schockierend, dass der Polizeichef solche lächerlichen, falschen Andeutungen wiederholt, als ob Premierminister Benjamin Netanjahu private Detektive losschickt."

Ungewohnte Differenzen hat Netanjahu auch mit US-Präsident Donald Trump, der ihn zurechtweisen ließ. Dessen Sprecher wies am Montagabend scharf die Darstellung des israelischen Premiers zurück, er sei mit Trump im Gespräch über eine Annexion des Westjordanlands. Diese Berichte seien "falsch". Zuvor hatte Trump in einem Interview mit der israelischen Zeitung Israel Hayom den israelischen Siedlungsbau kritisiert, weil dieser den Friedensprozess mit den Palästinensern "verkompliziert".

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