Islamkonferenz:Agenda des Misstrauens

Viele Muslime fühlen sich plötzlich fremd im eigenen Land, das gastliche Haus namens Islamkonferenz hat die Anziehungskraft einer Zahnarztpraxis angenommen. Doch es wäre zu einfach, die Schuld nur Innenminister Friedrich oder den muslimischen Vertretern anzulasten.

Ein Kommentar von Roland Preuß

Aus dem Miteinander ist ein Gegeneinander geworden. Mehrere Gäste sprechen der Konferenz schon vor dem Termin ihren Sinn ab, andere bleiben fern wie im vorigen Jahr - und der Bundesinnenminister stellt sich nach dem Treffen lieber alleine vor die Kameras, als sich mit muslimischen Vertretern auf ein Podium zu begeben. Das gastliche Haus namens Islamkonferenz, das Wolfgang Schäuble vor sieben Jahren zusammen mit Muslimen in einer Aufbruchstimmung bezog, hat die Anziehungskraft einer Zahnarztpraxis angenommen.

Es wäre zu einfach, den Verfall nur Innenminister Friedrich oder den muslimischen Vertretern anzulasten. Die Lage ist schwieriger geworden seit dem Start der Konferenz 2006. Extremisten haben auf beiden Seiten ihr Gift der Entfremdung gestreut, sei es durch den Mord an der Ägypterin Marwa el-Sherbini, die 2009 von einem Islamhasser in einem Dresdner Gerichtssaal erstochen wurde, sei es durch die Morde der NSU-Terrorgruppe, die es vor allem auf türkischstämmige Bürger abgesehen hatte.

Auch die Debatte um Thilo Sarrazins Islamkritik hat Schleifspuren hinterlassen. Viele Muslime fühlen sich durch die brutalen Vereinfachungen, die da öffentlich gehandelt wurden, plötzlich fremd im eigenen Land. Dieses Gefühl hallt wieder in einer Mehrheitsgesellschaft, die sich von einer Gewaltoffensive des Islamismus bedroht sieht: durch Kofferbomben in zwei Regionalzügen, die Extremisten 2006 als Rache für Mohammed-Karikaturen platzierten, durch die islamistische Sauerland-Gruppe, die Diskotheken und Flughäfen in die Luft jagen wollten oder durch den Kosovo-Albaner, der aus Hass auf den Afghanistan-Einsatz zwei US-Soldaten am Frankfurter Flughafen erschoss.

Die Angst hat sich breitgemacht

Religion entfaltet ihre dunkle Seite, nicht nur in diesen Momenten. Religion kann eine Gesellschaft zusammenhalten, sie kann aber auch Misstrauen säen und Gewalt hervorrufen. Die Geschichte ist reich an solchen Konflikten, und sie sind keineswegs Geschichte, wie sich in Indien, Ex-Jugoslawien oder anderen religiös befeuerten Glutherden beobachten lässt. Der kürzlich vorgestellte Religionsmonitor der Bertelsmann-Stiftung spiegelt diese Janusköpfigkeit wieder. 60 Prozent der Bürger empfinden die wachsende Vielfalt der Religionen in Deutschland als Bereicherung, doch fast zwei Drittel betrachten sie als Ursache für Konflikte. Die Angst hat sich längst breitgemacht.

Friedrich hat die Konferenz von den Füßen auf den Kopf gestellt

Umso wichtiger ist die Islamkonferenz. Sie ist das einzige zentrale Forum für einen Dialog zwischen Muslimen und Staat. Sie kann eine öffentliche Strahlkraft entwickeln, die beide Seiten erreicht, sie kann Vertrauen zurückgewinnen. Hier aber liegen die Versäumnisse des Innenministers. Schon zum Auftakt hat Friedrich durch seine Bemerkung, der Islam gehöre schon historisch nicht zu Deutschland, den Dialog unnötig belastet, um bald darauf seine Agenda an Sicherheitsthemen durchzudrücken.

Schäuble hatte erkannt, dass der Wert der Konferenz vor allem ein symbolischer ist: Muslime treffen die hohe Politik, um die Zusammenarbeit zu verbessern. Gesetze beschließen können sie nicht. Der damalige Innenminister sprach im Großen davon, dass Muslime Teil dieser Gesellschaft, dass sie willkommen sind - und stritt dann im Kleinen um gemeinsame Werte, die Bedeutung islamischer Verbände und ja, auch Extremismus. Friedrich hat die Konferenz von den Füßen auf den Kopf gestellt: Er stieß die Muslime mit seinen Bemerkungen im Großen vor den Kopf, während im Kleinen gute Arbeit geleistet wurde: islamisch-theologische Lehrstühle an deutschen Universitäten, die Gleichberechtigung muslimischer Frauen und eine Befriedung der Konflikte um Moscheebauten sind auch dank dieser Konferenz vorangekommen. Friedrich ist dabei Verwalter geblieben, nicht Impulsgeber, einer, der die Hausordnung an die Muslime verteilt, statt sie mit großen Gesten für sich einzunehmen.

Als Kuschelveranstaltung war die Islamkonferenz nie gedacht

Für die Zukunft gilt es, der Konferenz wieder Symbolkraft zu verleihen. Dazu wird es praktischer Schritte bedürfen, hin zu einer Anerkennung der Moscheeverbände als Religionsgemeinschaft mit gewissen Privilegien. Doch die muslimischen Vertreter machen es sich zu einfach, die Konferenz nur darauf zu konzentrieren. Es gibt genug zu besprechen: von Imamen aus dem Ausland, die Spaltung statt Gemeinsinn predigen; über Antisemitismus unter Muslimen bis hin zu einer gesellschaftlichen Ächtung von radikalen Islamisten. Hier sind die Islamverbände gefragt, bis hinunter zu jedem Gläubigen. Die Vertrauensbasis muss erarbeitet werden. Als Kuschelveranstaltung war die Islamkonferenz nie gedacht. Aber sie könnte ein erstaunlicher Ort werden, wo man streitet und gleichzeitig Wunden heilt.

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