Kampf gegen Isis-Terroristen:Obama schließt Einsatz von US-Bodentruppen im Irak aus

Isis-Kämpfer fahren durch die Straßen von Mossul.

Isis-Kämpfer fahren durch die Straßen von Mossul.

(Foto: REUTERS)

+++ US-Präsident Obama sieht die irakische Regierung in der Pflicht, das Terrorismus-Problem alleine zu lösen +++ Menschenrechtskommissarin Pillay spricht von Exekutionen in Mossul +++ Türkischer Vize-Premier Arınç räumt Warnungen vor Attacke auf Konsulat ein +++

Die Entwicklungen im Newsblog

  • USA schicken keine Truppen gegen Isis-Miliz in den Irak.
  • Menschenrechtskommissarin Navi Pillay berichtet von Massenhinrichtungen von Zivilisten.
  • Die Türkei wurde vor dem Angriff auf das Konsulat im irakischen Mossul gewarnt.
  • Nach dem Vormarsch islamistischer Isis-Kämpfer kommen nun angeblich Elitetruppen aus Iran zur Hilfe. Teheran verspricht dem Irak "uneingeschränkte Solidarität".
  • Schiitenführer fordert Bürger zum Kampf gegen Dschihadisten auf
  • Irakische Armee löst sich teilweise auf.

Obama will keine Bodentruppen zurück in den Irak schicken: In einer kurzen Pressekonferenz im Garten des Weißen Hauses sagte US-Präsident Barack Obama, dass er trotz des Vormarsches der Isis-Kämpfer im Irak keine US-Bodentruppen "zurück in den Irak" schicken werde. Allerdings würden seine Berater derzeit an Möglichkeiten arbeiten, die irakische Regierung anderweitig zu unterstützen. Obama strich heraus, dass es sich bei den Angriffen um ein regionales Problem handele, bei dem es nun vor allem auf das Handeln der irakischen Regierung ankomme, die das Vertrauen aller Gruppen der Region gewinnen und die Interessen aller Seiten im Sinn haben müsse. Die USA hätten viel Geld und Zeit in den Aufbau der irakischen Sicherheitskräfte investiert, wenn diese "unwillig" seien zu kämpfen und den Terroristen standzuhalten, gäbe es offensichtlich "Probleme mit der Moral und dem Bekenntnis zum Irak". "Letztlich liegt es an den Irakern, als einem souveränen Staat, ihre Probleme zu lösen", sagte Obama. "Wir können das nicht für sie tun", sagte Obama und verwies auf die schwierige Geschichte des Irak.

UN besorgt wegen Massenhinrichtungen im Irak: Bei den Kämpfen im Irak sind nach UN-Einschätzung in den vergangenen Tagen mehrere Hundert Zivilisten ums Leben gekommen. UN-Menschenrechtskommissarin Navi Pillay berichtete von willkürlichen Hinrichtungen. "Das volle Ausmaß der zivilen Opfer ist bisher nicht genau überschaubar", sagte sie. Die Kämpfer der radikalsunnitischen Gruppe Isis hätten Zivilisten erschossen. Nach ihren Informationen seien allein in einer Straße der Stadt Mossul 17 Zivilangehörige der Polizei getötet worden. "Ich bin besonders besorgt über die gefährliche Lage von Minderheiten, Frauen und Kindern", sagte Pillay. Die Zahl der verletzten Menschen dürfte bei etwa 1000 liegen. Die Organisation Human Rights Watch zitiert einen Bewohner Mossuls mit den Worten: "Ich fühle mich überhaupt nicht sicher. Ich habe Angst vor Isis - sie könnten mich einfach so töten, weil ich im öffentlichen Dienst arbeite oder falls sie bemerken, dass ich nicht in die Moschee gehe, nicht so bete, wie sie es von allen verlangen oder dass mein Bart nicht lang genug ist." Eine halbe Million Menschen ist nach UN-Angaben durch den Vormarsch der Isis-Kämpfer auf der Flucht.

Schon vor den jüngsten Kämpfen starben von Jahresbeginn bis zum 30. Mai fast 800 Iraker bei Bombenanschlägen und anderen Gewaltakten, berichten die UN. Etwa 1400 Menschen seien verletzt worden.

Türkei entschloss sich gegen Evakuierung von Konsulat in Mossul: Die türkische Regierung hat vor der Geiselnahme am Konsulat in Mossul durch Dschihadisten Warnungen erhalten. Ankara sei "mehr oder weniger darüber informiert" worden, dass die radikalsunnitische Organisation Isis "unser Konsulat angreifen würde", sagt Vize-Regierungschef Bülent Arınç. Die türkische Regierung habe sich aber gegen eine Evakuierung des Konsulats in Mossul entschieden, weil sie die Sicherheitslage außerhalb des Gebäudes für gefährlicher hielt. Isis-Kämpfer hatten am Mittwoch in dem Konsulat 49 Menschen in ihre Gewalt gebracht, darunter Diplomaten, Wächter und Kinder. "Ich hoffe, wir erhalten heute gute Nachrichten", sagt Arınç. Die Lage sei jedoch "instabil". Es habe einen Telefonkontakt mit den Geiseln gegeben, sie seien aber offenbar "keiner schlechten Behandlung" ausgesetzt.

Schiitenführer fordert Kampf gegen Isis: Das geistliche Oberhaupt der irakischen Schiiten, Ayatollah Ali al-Sistani, ruft die Iraker zum Widerstand gegen die sunnitischen Dschihadisten auf. Die Bürger sollten zu den Waffen greifen und "ihr Land, ihr Volk und ihre heiligen Stätten verteidigen" sagt ein Sprecher al-Sistanis beim Freitagsgebet in der Schiiten-Hochburg Kerbela. Wer könne, solle sich den Sicherheitskräften im Kampf gegen die Dschihadisten der Organisation Islamischer Staat im Irak und in der Levante (Isis) anschließen.

Iran verspricht Irak uneingeschränkte Solidarität: Der iranische Präsident Hassan Rohani hat dem Nachbarland Irak die uneingeschränkte Solidarität im Kampf gegen die Terrorgruppe Isis zugesichert. Sowohl auf regionaler als auch internationaler Ebene werde Iran alles im Kampf gegen die Terroristen im Irak unternehmen, sagte Rohani dem irakischen Regierungschef Nuri al-Maliki nach Angaben der Webseite des Präsidialamts.

Revolutionsgarden aus Iran eilen Bagdad zur Hilfe: Iran schickt einem US-Medienbericht zufolge Revolutionsgarden in den benachbarten Irak, um die Dschihad-Verbände der Isis zurückzudrängen, die große Teile im Norden und Westen des Iraks erobert haben. Mindestens drei Bataillone der Al-Quds-Brigaden wurden zur Unterstützung geschickt, berichtete das Wall Street Journal unter Berufung auf iranische Sicherheitskreise. Die Bataillone gehören zur Eliteeinheit der iranischen Revolutionsgarden. Eine offizielle Bestätigung dafür gab es zunächst nicht.

Irakische Armee löst sich teilweise auf: Beobachter zeigen sich erschrocken über die Zahl der Deserteure in den Reihen der Regierungstruppen. Wie der Guardian unter Berufung auf irakische Offizielle berichtet, seien bei der Schlacht um Mossul etwa 30.000 Regierungssoldaten desertiert. Die Zahl der Isis-Angreifer habe aber nur geschätzt 800 betragen. Beobachter erklären sich das unter anderem damit, dass sich der Konflikt zwischen Sunniten und Schiiten auch durch die Armee zieht. Sunnitische Soldaten dürften schlicht nicht besonders motiviert sein, gegen sunnitische Aufständische vorzugehen. Der Nahost-Experte Guido Steinberg hält es für denkbar, dass die irakische Regierung deshalb gezielt schiitische Milizen gegen die Isis-Truppen ins Feld führt. "Das könnte aber zu einem Bürgerkrieg führen", fürchtet er.

Islamisten sollen 425 Millionen Dollar erbeutet haben: Die Miliz "Islamischer Staat im Irak und in Syrien" (ISIS) hat bei der Erstürmung der irakischen Stadt Mossul Anfang der Woche vermutlich fette Beute gemacht. Der Provinzgouverneur Atheel al-Nujaifi sagte dem kurdischen Fernsehen, die Islamisten hätten umgerechnet 425 Millionen US-Dollar aus der Zentralbank gestohlen. Weitere Millionen in bar und Gold seien in anderen Banken der Stadt gestohlen worden. Laut International Business Times ist die ISIS damit die reichste Terrorgruppe der Welt - sie habe mehr Geld zur Verfügung als al-Qaida.

UN-Gesandter hält Bagdad für sicher: Der Chef der UN-Delegation im Irak sieht trotz des raschen Vormarsches der Islamisten die Hauptstadt Bagdad nicht unmittelbar in Gefahr. Das berichtete der russische Botschafter bei den Vereinten Nationen, Vitali Tschurkin. Der bulgarische Delegationschef Nikolaj Mladenow habe demnach in einer Video-Konferenz mit den Mitgliedern des UN-Sicherheitsrats erklärt, Bagdad sei gut geschützt und unter Kontrolle der Regierung. Botschafter Tschurkin erklärt zudem, der Sicherheitsrat habe der irakischen Regierung und dem irakischen Volk einstimmig seine Unterstützung im Kampf gegen den Terrorismus zugesichert. Russland hat derzeit den Vorsitz im Sicherheitsrat inne.

Linktipps: Die Ereignisse vom Vortag im Newsblog.

SZ-Korrespondent Thomas Avenarius erklärt, warum Isis die gefährlichste Terrorgruppe der Welt ist.

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