Islamisten:Stimme des Hasses

Die Gewalt von Boko Haram überschattet auch die Wahl - das Eingreifen der Nachbarländer hat die Miliz nicht entscheidend geschwächt.

Von Isabel Pfaff

Was Abubakar Shekau im Februar in einem Video prophezeite, hat sich erfüllt. "Diese Wahlen werden nicht friedlich verlaufen", hatte der Mann, der sich als Anführer der Terrormiliz Boko Haram ausgibt, in die Kamera gerufen. Mindestens 30 Menschen haben den Wahltag in Nigeria nicht überlebt. Augenzeugen berichten von Bewaffneten, die mehrere Wahllokale im Bundesstaat Gombe überfielen und dabei riefen: "Wir haben euch davor gewarnt, zur Wahl zur gehen!" Dutzende Tote soll es auch beim Angriff auf ein Dorf im Bundesstaat Borno gegeben haben. Zwar sind die Nachrichten aus Nigerias schwer zugänglichem Nordosten kaum zu überprüfen. Doch sie entsprechen dem Gewaltmuster von Boko Haram. Und dass der Wahltag in Afrikas größter Demokratie vom Terror der Islamisten verschont würde, damit hatte eigentlich niemand gerechnet.

Dabei gilt die Miliz zunehmend als geschwächt. Mit der Hilfe von Militäreinheiten aus den Nachbarländern Niger, Tschad und Kamerun ist es der nigerianischen Armee offenbar gelungen, die wichtigsten Städte zurückzuerobern, welche die Terroristen seit Mitte 2014 im Nordosten des Landes erobert hatten. Am Vortag der Wahl verkündete Nigerias Militär sogar, es habe nun auch Gwoza, das mutmaßliche Hauptquartier von Boko Haram und die letzte Stadt unter Kontrolle der Miliz, eingenommen. All das sind zweifelsohne gute Nachrichten, die eine Wende bedeuten könnten. Doch ein Ende von Boko Haram ist damit noch lange nicht in Sicht.

Die Perspektivlosigkeit verschafft der Miliz immer neue Anhänger

Damasak zum Beispiel, eine Stadt an der Grenze zu Niger, hatten tschadische und nigrische Truppen erst vor wenigen Wochen für befreit erklärt. Doch die Terroristen kamen Augenzeugen zufolge zurück, töteten Dutzende Menschen und entführten Hunderte. Offenbar ist die nigerianische Armee nicht in der Lage, das eroberte Gebiet zu halten, obwohl sie, gemessen am Budget, zu den schlagkräftigsten in Afrika gehört. Dazu passt, was Tschads Präsident Idriss Déby vor wenigen Tagen in der New York Times äußerte: "Seit zwei Monaten kämpfen wir auf dem Gebiet, und wir haben nicht einen einzigen nigerianischen Soldaten gesehen." Es gebe Defizite bei der Koordination, kaum gemeinsame Aktionen. Es sieht also so aus, als habe sich aufseiten der nigerianischen Streitkräfte wenig getan, was ihre Anstrengungen im Kampf gegen Boko Haram betrifft. Offenbar versickert noch immer viel Militärbudget in korrupten Taschen, ohne dass die Regierung etwas dagegen tut.

Der zweite Grund, warum territoriale Eroberungen Boko Haram nicht besiegen werden, ist der Charakter der Miliz: Sie bleibt eine Terrorgruppe. Gewalt kann sie auch über Anschläge verbreiten, wie sie es in ihren Anfangsjahren tat. Davor warnt auch die Expertengruppe "Nigeria Security Network": Dass Boko Haram im vergangenen Jahr immer mehr wie eine richtige Armee agierte und so Gebiete zu kontrollieren begann, habe vor allem mit der Tatenlosigkeit von Regierung und Armee zu tun gehabt, schreiben die Analysten. Nun würde die Miliz wieder zu ihren alten Techniken zurückkehren. Wirklich schlagen kann Nigeria Boko Haram nur, wenn sich die neue Regierung massiv dem vernachlässigten Norden des Landes annimmt - durchaus militärisch, aber vor allem sozioökonomisch. Es ist die Perspektivlosigkeit dort, die den Terroristen Anhänger und Unterstützung verschafft.

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