Salafisten in Deutschland:Polizei ermittelt wegen Islamistenverdacht in den eigenen Reihen

Die Polizei in Nordrhein-Westfalen hat einen Beamten suspendiert, weil er den Salafisten nahestehen soll. Der Mann stellt angeblich Pflichten und Gebote, die der Koran vorschreibt, über die Verfassung, so die Behörden. Das widerspreche seinen Dienstpflichten. Beim Zentralrat der Muslime in Deutschland wundert man sich sehr über den Fall.

Markus C. Schulte von Drach

Erst vor dem Hintergrund der Ausschreitungen von Salafisten gegen Polizisten wurde bekannt, dass die Behörden in Nordrhein-Westfalen einen beunruhigenden Verdacht haben: In den Reihen der Beamten selbst soll angeblich ein fundamentalistischer Muslim Dienst getan haben.

Sogar für den Verfassungsschutz des Bundeslandes sei er vorübergehend im Einsatz gewesen, heißt es. Aufgefallen war der Mann jedoch nicht - bis sich herausstellte, dass er für salafistische Vereine Infostände angemeldet und sich an der Koranverteilung beteiligt habe.

Bereits Ende April war ein behördliches Disziplinarverfahren gegen den 31-Jährigen eingeleitet worden - zugleich kam es zur vorläufigen Dienstenthebung.

"Er hat auf die Frage, wie die Vereinbarkeit einer strengen Glaubensauslegung mit seinem Beruf als Polizeibeamter zu sehen sei, sinngemäß geantwortet, dass für jeden gläubigen Muslim zuerst und vorrangig die Pflichten und Gebote gelten, die der Koran vorschreibe. Andere Dinge seien in der Regel nachgeordnet", sagte Ulrich Faßbender, Pressesprecher der Essener Polizei, zu Süddeutsche.de.

Feststellungen wie diese interpretieren die Behörden so, dass für den Mann die Scharia - das religiöse Gesetz des Islam - wichtiger ist als andere Gesetze, also auch die Verfassung. Diese Haltung nehmen auch die Salafisten ein, für die er offenbar aktiv war.

Es sei der Eindruck entstanden, dass er seine Pflichten als Polizist gegenüber seiner Religion und den damit verbundenen Regeln und Gesetzen hintanstelle, so Faßbender. Zwar habe er sich nicht eindeutig geäußert, aber auch nicht klar genug zu seinen Pflichten als Polizist bekannt. In solch einem Fall bleibe einer Polizeibehörde gar nichts anderes übrig, als ein Disziplinarverfahren einzuleiten. Nun werde ermittelt, ob der Anfangsverdacht erhärtet werden könne.

In Deutschland herrscht Religionsfreiheit und es ist nicht verboten, Salafist zu sein. Gelten für Polizeibeamte also andere Gesetze als für andere Bürger?

Das ist zwar so nicht der Fall - doch Beamte leisten einen Diensteid auf Gesetze und Verfassung und gehen ein besonderes Dienst- und Treueverhältnis gegenüber dem Staat ein. Gerade Polizisten, die das Gewaltmonopol des Staates durchsetzen sollen, müssten besonders zuverlässig und vertrauensvoll arbeiten, erklärte Faßbender.

Deshalb werden Polizeibeamte zum Beispiel nach einem Vergehen auch nicht nur von einem zivilen Gericht belangt, sondern es kommt auch ein internes Ordnungsverfahren hinzu.

Rechts- und Linksextremisten, aber auch religiöse Extremisten, die das Ziel haben, die bestehende Staatsordnung abzuschaffen, wären als Polizisten auf Kollisionskurs mit ihren Pflichten und dem Amtseid. Der suspendierte Beamte mit Kontakten zu den Salafisten befinde sich deshalb per se in einem Interessenkonflikt, sagte der Pressesprecher.

Dass es einem islamischen Fundamentalisten möglich gewesen sein könnte, als Vertreter der Staatsgewalt zu arbeiten, ist keine so große Überraschung, wie man vielleicht meinen könnte. Zwar wird für jeden Bewerber für den Polizeidienst überprüft, ob er straffällig geworden ist. Die Gesinnung aber könne man kaum testen.

Als Muslim ist man noch nicht verdächtig

Wenn jemand die Frage, ob er für die freiheitliche demokratische Grundordnung eintrete, mit ja beantwortet, und es keine Anhaltspunkte für etwas anderes gibt, müsse man das erst mal so akzeptieren, erklärt Faßbender. Bei dem betroffenen Polizeibeamten war bekannt, dass er Muslim ist. Aber das mache ihn ja noch nicht verdächtig. "Es gibt etliche Polizisten mit Migrationshintergrund, die ihrem islamischen Glauben nachgehen und die tadellos und ohne Beanstandung ihren Dienst versehen", so Faßbender.

Schätzungen der Gewerkschaft der Polizei zufolge machen Beamte mit Migrationshintergrund weniger als sieben Prozent aller Polizisten aus. Einige Bundesländer bemühen sich jedoch, die Quote zu erhöhen.

Wenn der jetzt suspendierte Beamte die Behörden bei seiner Anstellung nicht getäuscht hat - und dafür gibt es bislang offenbar keine Hinweise, könnte es sein, dass er erst später eine tiefe religiöse Überzeugungen entwickelt habe.

Völlig ausschließen würde so etwas auch Aiman Mazyek vom Zentralrat der Muslime in Deutschland zwar nicht, aber er hält es für unwahrscheinlich. Es gebe jedoch noch zu viele Unklarheiten in dem Fall, um konkret dazu Stellung zu nehmen, erklärte er Süddeutsche.de. Klar sei dagegen, dass sich die Frage, ob der Koran Vorrang vor der Verfassung hätte, für die bei weitem überwiegende Mehrheit der Muslime in Deutschland überhaupt nicht stelle.

"Wir haben eine ganz andere Sichtweise", so Mazyek, "nämlich dass unser Glaube uns geradezu anspornt, als Polizist, Lehrer, als Beamter oder überhaupt als Bürger in diesem Land unsere Pflichten der Verfassung gegenüber einzuhalten und diese zu schützen. Das ist eine muslimische Pflicht." Koran und Verfassung seien zwei völlig verschiedene Dinge. "Gerade deswegen stellt sich die Frage der Überhöhung des einen oder anderen nicht."

Bislang hat der suspendierte Polizist sich zu dem Disziplinarverfahren noch nicht geäußert. Die Essener Polizeipräsidentin Stephania Fischer-Weinsziehr rechnet mit seiner Entlassung aus dem Beamtenverhältnis.

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