"Islamischer Staat" bekennt sich zu Anschlägen:Terror in Europas Hauptstadt

Mindestens 34 Menschen sterben, 230 werden verletzt, als am Brüsseler Flughafen und in einer U-Bahn-Station mitten im EU-Viertel mehrere Sprengsätze explodieren.

Von Annette Zoch

Der Terror erreicht das Zentrum der Europäischen Union. Zwei Attentate haben am Dienstag in Brüssel mindestens 34 Menschen in den Tod gerissen und 230 Menschen verletzt. In der Abflughalle des Flughafens Brüssel-Zaventem explodierten gegen 8 Uhr morgens kurz nacheinander zwei Sprengsätze. Etwa eine Stunde später detonierte eine weitere Bombe in der U-Bahn-Station Maelbeek. Diese liegt mitten im Europa-Viertel in der Nähe der EU-Institutionen, nur wenige Gehminuten vom Sitz der EU-Kommission sowie dem Sitz des Europäischen Rates entfernt. Zahlreiche Mitarbeiter der Europäischen Institutionen nutzen diese U-Bahn-Station in der morgendlichen Rush-Hour auf dem Weg in die umliegenden Büros. Die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) behauptete, für die Taten verantwortlich zu sein. "Soldaten des Kalifats" hätten "den Kreuzfahrerstaat Belgien" angegriffen, hieß es in einer im Internet veröffentlichten Erklärung.

Als Vergeltung für Angriffe gegen den IS werde es "schwarze Tage" geben. Offenbar sollte am Flughafen eine weitere Bombe detonieren: Am Nachmittag wurde ein dritter Sprengsatz entdeckt und kontrolliert gezündet. Zudem zeigt ein Foto einer Überwachungskamera, drei der Tat verdächtige Männer, die Gepäckwagen schieben. Zwei der Männer tragen links einen Handschuh, womöglich mit einem Bombenzünder. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass diese beiden als Selbstmordattentäter gestorben sind. Für den dritten Mann gab die Polizei eine Fahndung heraus. Der Bürgermeister von Zaventem, Francis Vermeiren, sagte der Nachrichtenagentur AFP, die drei Männer seien mit dem Taxi zum Flughafen gekommen. Die Bomben hätten sich in ihren Koffern befunden. Einer der drei Männer habe seinen Sprengsatz aber nicht zur Detonation gebracht: "Er muss in Panik geraten sein." Womöglich befänden sich noch weitere Attentäter auf freiem Fuß, sagte Belgiens Außenminister Didier Reynders. Die Polizei durchsuchte mehrere Wohnungen in und um Brüssel. In der nordöstlichen Stadtgemeinde Schaerbeek wurden dabei eine IS-Flagge, ein Sprengsatz mit Nägeln und chemische Substanzen gefunden. Auch die im Flughafen explodierten Bomben waren mit Nägeln präpariert. Nach Angaben des Krisenzentrums starben am Flughafen 14 Menschen, 100 wurden verletzt.

Noch verheerender war offenbar das Attentat in der U-Bahn-Station. Dort seien mindestens 20 Menschen getötet worden, bestätigte Bürgermeister Yvan Mayeur. Die Lage sei "extrem chaotisch". Laut Krisenzentrum wurden 130 Menschen verletzt. "Die Explosion war gewaltig", sagte Pierre Meys, Sprecher der Brüsseler Feuerwehr, Le Soir . Offenbar sei der Sprengsatz in einem Waggon explodiert. "Dies sind Verletzungen wie in einem Krieg", sagte er. "Ich arbeite seit 40 Jahren in diesem Beruf, aber das ist das Schlimmste, was ich je gesehen habe."

Am Flughafen stürzte durch die Wucht der Detonation die Deckenverkleidung teilweise in die Abflughalle, Glasscheiben zersplitterten. Der Airport sowie die Brüsseler Bahnhöfe wurden komplett gesperrt, alle Flüge wurden umgeleitet.

Erst am Freitag war Salah Abdeslam, einer der mutmaßlichen Drahtzieher der islamistischen Anschläge von Paris, nach monatelanger Fahndung in Brüssel verhaftet worden. Zwei Partner Abdeslams, Najim Laachraoui und Mohamed Abrini, sind untergetaucht. Am Montag noch hatte Innenminister Jan Jambon gewarnt: "Wir wissen, dass die Ergreifung einer Zelle andere zum Handeln animieren kann."

Die Sicherheitsvorkehrungen im ganzen Land wurden massiv verstärkt. Wegen der akuten Terrorgefahr warnte das belgische Krisenzentrum alle Bürger in Brüssel, zu Hause oder am Arbeitsplatz zu bleiben. Schulen und Kindergärten wurden Le Soir zufolge angewiesen, Kinder nur in Begleitung der Eltern gehen zu lassen und die Zugänge zu Gebäuden bestmöglich zu sichern. Auch Universitäten wurden geschlossen. Die Armee sicherte zudem Atomkraftwerke im Land. In den AKWs Tihange und Doel wurde verzichtbares Personal aus Sicherheitsgründen nach Hause geschickt. Am Flughafen sprengte die Polizei am Nachmittag zudem kontrolliert ein verdächtiges Paket in die Luft.

Die Nachrichten wurden weltweit mit Bestürzung aufgenommen. "Das ist ein dunkler Moment für unsere Nation", sagte Belgiens Ministerpräsident Charles Michel. Erschüttert zeigten sich vor allem Vertreter der Europäischen Union. Die Anschläge seien ein Angriff auf die EU als Ganzes, sagte Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini äußerte sich während eines Besuchs in Jordanien. "Europa und seine Hauptstadt erleiden heute den gleichen Schmerz, den diese Region erlebt hat und jeden Tag erlebt", sagte sie, während sie mit den Tränen kämpfte. Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte, die Täter seien Feinde aller Werte, für die Europa stehe und zu denen sich die Europäische Union "gerade an diesem Tag und mit großen Stolz" bekenne. US-Präsident Barack Obama sagte in Havanna, die Attacken seien eine weitere Erinnerung daran, "dass die Welt gegen die Geißel des Terrorismus" vereint sein müsse. Papst Franziskus sagte, er bete für die Opfer und bitte Gott "um das Geschenk des Friedens".

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