Islam in Deutschland:Ein Kulturkampf mit dem Zollstock

Es geht um Messbares wie die Höhe der Minarette, aber auch um diffuse Ängste und Gefühle: Die Bürger in Köln streiten um den geplanten Bau der großen Moschee.

Dirk Graalmann

Manche hören interessiert zu, andere sind in Gedanken versunken, einer gähnt, die Luft ist etwas abgestanden. Nur wenige haben das weiße Häkelkäppchen aufgesetzt, einige tragen Basecaps. Vorne steht der Imam im weißen Gewand, er hält das rituelle Gebet in arabischer Sprache und fasst es dann in holprigem Deutsch zusammen.

Moschee, köln, dpa

Ein Modell für die geplante Moschee in Köln-Ehrenfeld

(Foto: Foto: dpa)

An der Wand hinter ihm hängt eine türkische Flagge, an der Stirnseite prangt ein großes Bild der Kaaba in Mekka. Zwischen schmucklosen, mit Eichenpaneelen verkleideten Säulen stehen die Gläubigen, in zehn Reihen von bis zu 50, 60 Männern. Ein Freitagsgebet in der Moschee in Köln-Ehrenfeld.

Knapp 400 Menschen haben sich in diesem ehemaligen Fabrikgebäude versammelt. Es ist ein Provisorium mit Hinterhof-Atmosphäre, verschämt, verbaut, verborgen. An diesem Ort soll bis Ende 2009 eine "repräsentative Großmoschee entstehen". Es ist ein Bauprojekt, doch man könnte gelegentlich meinen, hier würde über die Integration der Muslime entschieden, es tobt ein wahrer Kulturkampf um das Projekt. Auch die Kirchen haben sich nun eingeschaltet.

Das ungute Gefühl des Kardinals

Vor Monaten hatte der Kölner Erzbischof, Joachim Kardinal Meisner, schon "ein ungutes Gefühl" angesichts des Bauvorhabens eingestanden. Am Freitag hat sich auch der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Nikolaus Schneider, geäußert. Unmissverständlich. "Diese Architektur ist schon sehr triumphierend ausgelegt", sagte Schneider. Der Bau solle "nicht so imperial" daherkommen.

Es wird in dieser Debatte wenig über Inhalte gesprochen, über Wege zu einer erfolgreichen Integration. Es geht um Symbole, visuelle Dominanz, die Größe der Kuppel und die Höhe der Minarette. Eine Jury hatte im Architektenwettbewerb den Entwurf des renommierten Kirchenbaumeisters Gottfried Böhm gekürt. Ein Kuppelbau mit 55 Meter hohen Türmen.

Das Preisgericht bestand überwiegend aus Nicht-Muslimen. Die Moschee werde das Stadtbild dominieren, poltern seither die Kritiker. Die Minarette seien höher als der Turm der nahen evangelischen Kirche. Ein Kulturkampf mit dem Zollstock. Gegenüber der Moschee steht das Telekom-Hochhaus, es misst 102 Meter. Daneben ragt der 243 Meter hohe Fernsehturm Colonius empor. Es geht um Gefühle, Fakten gehen im Schlachtenlärm oft unter.

Was Toleranz genannt wird

1984 hatte die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (Ditib), ein Ableger der türkischen Religionsbehörde, das Gelände gekauft und hier im Kölner Norden ihre Zentrale mit Gebetsraum errichtet. Ein schmuckloser Bau. Deutsche Besucher sind selten hier. "Es war eine große Leistung, dass wir Menschen den Mond betreten haben, aber wir schaffen es nicht, die fünf Schritte zum Nachbarn zu machen", sagt Ditib-Mitarbeiterin Cevriye Güler.

Das klingt wie ein Vorwurf, es könnte auch eine Selbstbezichtigung sein. Denn beide Seiten sind wie angewurzelt stehen geblieben. Mehr als zwei Jahrzehnte lang bestand der Umgang zwischen türkischen Muslimen und Deutschen vor allem aus Schweigen und Missachtung.

Kölner nennen das gern Toleranz. Man weiß nicht viel voneinander. Im Bildungszentrum der Moschee müht man sich stundenweise um Verständigung. In den Klassenräumen stehen sieben, acht alte Tische mit abgewetzten Holzstühlen, durch das Blindglas dringt kaum Licht. 1500 Menschen werden hier jedes Jahr unterrichtet, erzählt Isik Ugurlu, Leiter der Bildungs- und Kulturabteilung der Ditib. Sie bietet Sprachkurse, Computerkurse, Hausaufgabenhilfe. Draußen auf dem asphaltierten Hof ist ein Schild angebracht: "Ballspielen jeglicher Art auf dem gesamten Parkplatz verboten." Das klingt sehr deutsch. Junge Mädchen stehen auf dem Hof, eines trägt Kopftuch und weiße Stilettos, ein anderes hat ein T-Shirt an, auf dem steht: "Kiss me before my boyfriend comes back".

Frauen mit Kopftuch gehören in Köln längst zum Stadtbild, jeder zehnte Einwohner ist Muslim, allein 80 000 Türken leben hier. Ehrenfeld trägt die Fassade eines Multkulti-Stadtteils. Auf der Venloer Straße, der Hauptverkehrsader, herrscht das bunte Sammelsurium solcher Viertel. Da gibt es das gutbürgerliche Restaurant "Haus Scholzen seit 1907", etwas weiter den türkischen "Bem Supermarket", dazwischen Schnellimbisse, Handyläden, Ein-Euro-Shops und Discount-Ketten.

Das Projekt des Oberbürgermeisters

In den Seitenstraßen haben sich Cafés und Clubs eingerichtet. Viele Studenten, Künstler, Akademiker ziehen zu, es ist ein Szeneviertel, Ehrenfeld gilt als hip. Wenn der Neubau steht, wird man die Muslime nicht mehr übersehen, nicht mehr ignorieren können. Sie wollen sich nicht länger verstecken, "auf Augenhöhe sein", wie sie es nennen. Nun stehen sie im Rampenlicht.

Kölns Oberbürgermeister Fritz Schramma, CDU, hat das Moschee-Vorhaben zu seinem Projekt gemacht. "Wenn einer ein Haus baut, bleibt er hier", sagt Schramma. Er zitiert ein Wort des jüdischen Architekten und Vizepräsidenten des Zentralrats der Juden, Salomon Korn. Als der es sprach, ging es um das Selbstverständnis deutscher Juden.

Ein Kulturkampf mit dem Zollstock

Der jüdische Schriftsteller Ralph Giordano hat den Holocaust überlebt. Der 84-Jährige ist Kronzeuge der Moschee-Gegner, sogar Rechtsradikale versuchen ihn zu vereinnahmen. Ein absurdes Spektakel. "Aber soll ich die Schnauze halten, weil die örtliche Variante der Nazis mir auf die Schulter klopft?", sagt Giordano. Er hat dem Unbehagen vor einer Großmoschee, der "Beklemmung vor einer schleichenden Islamisierung", wie er es nennt, eine unverdächtige Stimme verliehen.

Köln, Moschee, dpa

Das Modell der geplanten Moschee in Köln-Ehrenfeld: Die Minarette sollen eine Höhe von 55 Metern haben

(Foto: Foto: dpa)

"Ich weiß nicht, warum die Leute Angst haben. Wovor?", sagt Mehmet Yildirim. Im kleinen Büro des Generalsekretärs der Ditib hängen hinter dem Schreibtisch zwei Bilder. Das links zeigt Kemal Atatürk, den türkischen Staatsgründer. Das Bild rechts ist genauso groß. Es zeigt Horst Köhler. Yildirim beruft sich gern auf den Bundespräsidenten, vor allem auf das Grundgesetz, Artikel 4: "Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich. Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet."

Doch das Grundgesetz ist kein Blankoscheck, die Ditib hat das lange unterschätzt. Religionsfreiheit ist kein Gnadenrecht, aber sie erlöst auch nicht von der Notwendigkeit eines Dialogs. In Köln hat die Ditib der Diskussion über die Moschee lange nur zugeguckt, das Votum der Politik reichte ihr.

2001 sprach sich der Stadtrat fraktionsübergreifend für einen Neubau aus, nun bröckelt der Konsens. Die rechtspopulistische Fraktion "Pro Köln" hat den Protest angefeuert, zuletzt fielen auch die Christdemokraten um. Die Moschee dürfe in der geplanten Form nicht gebaut werden, schrieb die CDU in ihrem verschärften Leitantrag.

Eine bauliche Reduzierung sei conditio sine qua non. Es geht um Parkplätze und um geplante 2455 Quadratmeter Einzelhandelsflächen in dem Komplex. "Da findet der Türke alles, was er braucht, um sich nicht zu integrieren", sagt der Ehrenfelder CDU-Vorsitzende Jörg Uckermann, der über ein "islamisches Disneyland" spottet.

9/11 und die Kofferbomber

Eine Moschee ist eine Begegnungsstätte, mit Café, Buchladen, Friseur, Geschäften. Raum für eine Parallelgesellschaft mit eigenen Riten und Regeln - so argwöhnen Kritiker. Dies ist die größte Sorge der Gegner: nicht zu wissen, was da passiert. Der 11. September 2001, die Kofferbomber vom Kölner Hauptbahnhof, all das spielt plötzlich in die Debatte rein.

Denn auch Kriminalität gehört in Ehrenfeld, wie überall, zur Lebenswirklichkeit. "Auch der jugendliche Kriminelle betet hier", sagt Mustafa Özedemir, der regelmäßig zum Gebet im jetzigen Gebetshaus erscheint. "Aber es wird ja nicht besser davon, dass wir keine Moschee bauen." Die Höhe der Minarette ist dem 34-Jährigen so egal wie seinem Freund Seref Secen, den mehr interessiert, ob es eine Klimaanlage geben wird. Secen hat kürzlich seinen Sohn aus der Kindertagesstätte genommen: "Da war nur ein deutsches Kind in einer Gruppe von 25 Kindern", sagt er. "Wie soll mein Junge da Deutsch lernen?"

Integration beginnt nicht in der Moschee, sie endet auch nicht dort. Es geht um die Grenzen von Toleranz, das eigene Gesellschaftsbild. Die kölsche Band Bläck Fööss hat ein Lied geschrieben, das in der Domstadt mit Inbrunst gesungen wird: "Unsere Stammbaum". Da heißt es: "Ich bin Grieche, Türke, Jude, Moslem und Buddhist, doch wir alle, wir sind nur Menschen, vor dem Herrgott sind wir gleich. (. . .) Wir haben dadurch so viel gewonnen, wir sind wie wir sind, wir Jecken vom Rhein. Das ist das, wo wir stolz drauf sind." Oberbürgermeister Schramma mag den Song. "Das ist unsere Geschichte", sagt er. "Und wer A singt, muss auch B machen."

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