Islam-Debatte:Zentralrat der Juden lobt Wulff

Immer mehr Unions-Politiker reiben sich an den Aussagen des Bundespräsidenten zum Islam in Deutschland. Der Zentralrat der Juden hingegen preist Christian Wulffs Mut - und nimmt seine Kritiker ins Visier.

Bundespräsident Christian Wulff bekommt in der Diskussion über die Rolle des Islam in Deutschland Unterstützung vom Zentralrat der Juden. Dessen Generalsekretär Stephan Kramer sagte der Nachrichtenagentur dapd, Wulffs Rede vom vergangenen Sonntag sei mutig gewesen. Obwohl die Empörung abzusehen gewesen sei, habe der Bundespräsident Flagge gezeigt. Dies verdiene Anerkennung und Respekt.

Erhält Kritik aus dem eigenen Lager: der ehemalige CDU-Spitzenpolitiker und heutige Bundespräsident Christian Wulff

Erhält Kritik aus dem eigenen Lager: der ehemalige CDU-Spitzenpolitiker und heutige Bundespräsident Christian Wulff

(Foto: dapd)

Wulff hatte unter anderem gesagt, neben dem Christen- und dem Judentum gehöre der Islam "inzwischen auch zu Deutschland". Dies stieß bei einigen Unions-Politikern auf Unmut. Kramer kritisierte, die Debatte über die Äußerungen des Bundespräsidenten sei "nahezu schon hysterisch". Dies zeige, "dass sich offensichtlich viele Politiker bis heute den Realitäten einer Einwanderungsgesellschaft verschließen".

Kramer fügte hinzu: "Politiker, in deren Vokabular das Wort 'jüdisch' ansonsten bestenfalls in gedenkpolitischen Sonntagsreden vorkam, beziehen sich jetzt mit einer kaum nachzuvollziehenden Vehemenz auf das christlich-jüdische Fundament Deutschlands." Dies könne "man oftmals leider nur als allzu durchsichtigen Versuch werten, das Judentum in Deutschland geradezu gegen 'den Islam' in Stellung zu bringen".

Kramer betonte zugleich, es müsse selbstverständlich sein, dass alle Bürger das Grundgesetz und die deutsche Gesetzgebung achten: "Daher ist die oft wiederholte Forderung, 'die Muslime' müssten die deutschen Gesetze einhalten, ein unnötig ausgestreckter Zeigefinger. Deshalb muss ein Moslem sein Deutschtum auch nicht durch den Verzehr eines Schweineschnitzels mit einem Siebenminutenpils beweisen."

Abgeordnete von SPD und Grünen sprachen sich derweil dafür aus, den Islam staatlich als Religionsgemeinschaft anzuerkennen und damit rechtlich den christlichen Kirchen gleichzustellen. Ein solcher Schritt wäre ein "wichtiges Signal an die vier Millionen Muslime in Deutschland", sagte der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Dieter Wiefelspütz, der Neuen Osnabrücker Zeitung. Der Islam brauche eine "faire Chance" in Deutschland.

Ähnlich äußerte sich der integrationspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Memet Kilic. Die Anerkennung des Islam als gleichberechtigte Religionsgemeinschaft könne für die Integration nur förderlich sein, sagte er dem Blatt. Eine Gleichstellung des Islam als Religionsgemeinschaft wäre mit einer Reihe von Vorrechten verbunden: Unter anderem das Recht, durch den Staat Steuern einziehen zu lassen oder auf Kosten des Staates Religionsunterricht in Schulen zu erteilen.

Dagegen wandte sich CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt mit Nachdruck: "SPD und Grüne sind da auf einem fundamentalen Irrweg." "SPD und Grüne müssen endlich lernen, dass Integration nicht über eine Aufweichung und Zurücksetzung unserer eigenen Leitkultur und Werteordnung laufen darf", erkläre Dobrindt.

Herrmann: Deutschland will Islam nicht integrieren

In der Union wird dagegen weiterhin Kritik am Bundespräsidenten laut: "Unsere Grundwerte gründen klar in der christlich-abendländischen Tradition", betonte etwa Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU). Es gebe "überhaupt keinen Anlass, den Islam in unsere Werteordnung zu integrieren", sagte er der Süddeutschen Zeitung. "Das wäre auch nicht machbar. Deutschland will nicht den Islam integrieren, sondern seine kulturelle Identität bewahren", sagte Herrmann.

Distanziert zeigte sich auch der stellvertretende Unionsfraktionschef Günter Krings. "Der Islam ist Teil der Wirklichkeit hier, aber er zählt nicht zu der traditionellen, gewachsenen Kultur in Deutschland", sagte er der SZ. "Es werden innerhalb des Islam auch Werte vertreten, die ich nicht in der deutschen Kultur sehen will, etwa zur Stellung der Frau in der Gesellschaft."

Der Vorsitzende des Zentralkomittees der deutschen Katholiken (ZdK), Alois Glück, äußert zwar ebenfalls Kritik, zollte Wulff aber auch Anerkennung. Einerseits sei er froh über das, was Bundespräsident Christian Wulff gesagt habe, andererseits hätte Wulff vielleicht doch deutlicher erklären müssen, "dass die christlich-jüdische und die muslimische Tradition in Deutschland nicht einfach gleichgestellt werden können."

Zuspruch erhielt das Staatsoberhaupt von Bundesumweltminister Norbert Röttgen."Hier in Deutschland leben viele hervorragend integrierte Muslime, und sie können Christian Wulff auch als ihren Bundespräsidenten betrachten", sagte Christdemokrat Röttgen der Passauer Neuen Presse.

Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer (CDU), hat sich ebenfalls hinter Wulff gestellt. "Der Islam ist ein Teil Deutschlands", sagte Böhmer am Donnerstag in der Bundestagsdebatte über den aktuellen Ausländerbericht. Das Thema Integration dürfe nicht Thilo Sarrazin überlassen werden, der in seinen Jahren als Berliner Finanzsenator nichts für die Integration geleistet habe, kritisierte Böhmer.

Und auch der eigentlich als Hardliner in der Integrationspolitik bekannte frühere hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) hat Bundespräsident Christian Wulff gegen Kritik verteidigt. "Ich kritisiere den Bundespräsidenten nicht", sagte Koch am Donnerstag im ZDF- "Morgenmagazin". "Ich glaube, dass der Denkanstoß, den er mit der Rede gegeben hat, durchaus in die richtige Richtung zeigt", sagte Koch.

Entscheidend sei die religiöse Toleranz. "Aber die Religion bestimmt nicht die Gesellschaft, sondern hat sich einzufügen in das, was wir uns in zweitausend Jahren kultureller Tradition erarbeitet, erkämpft, oft auch schmerzhaft erkämpft haben." Koch betonte, wer dauerhaft in Deutschland leben wolle, der müsse sich diesen erarbeiteten Traditionen einer Gesellschaft auch ein Stück anpassen. Trotzdem werde es Vielfalt geben. "Und von dieser Vielfalt werden wir alle profitieren."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: