IS-Prozess:Rätselhaft redselig

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Ein Angeklagter im Hamburger IS-Prozess packt aus. Über seinen deutschen Ausbilder in Syrien und den Befehl für einen Angriff. Sogar sein Anwalt ist überrascht.

Von Ronen Steinke, Hamburg

Drei Männer aus Syrien stehen in Hamburg vor Gericht, weil sie sich im Auftrag der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) im Herbst 2015 unter die Zigtausende Flüchtlinge gemischt haben sollen, um in Deutschland einen Anschlag zu verüben. Monatelang ist es der Bundesanwaltschaft schwer gefallen, den Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts von diesem schweren Verdacht zu überzeugen. Es gibt nur Indizien. Am Freitag nun bestätigte der älteste der drei Angeklagten, Mohamed A., 27, was man ihm vorwirft. Schon vergangene Woche hatte er überraschend sein Schweigen gebrochen. Nun ging er bereitwillig weiter ins Detail.

Im August 2015 habe er sich in der Nähe seiner Heimatstadt Aleppo dem "Islamischen Staat" angeschlossen. Drei Monate lang sei er ausgebildet worden, während der Zeit habe er in einem Haus des IS gelebt. Abu Osama habe der Ausbilder geheißen, er habe kein Arabisch gesprochen außer Salam Aleikum. "Er war Deutscher." Ab und zu sei noch ein zweiter Ausbilder aufgetreten, Abu Daoud. Auch er sei kein Syrer gewesen. Im Oktober 2015 dann habe ihn ein Auftraggeber des IS angewiesen, sich über die Balkanroute nach Deutschland durchzuschlagen, so wie Hunderttausende Syrer zu dieser Zeit. Erst wenn er eine Aufenthaltsgenehmigung habe, solle er wieder Kontakt zu seinem IS-Vorgesetzten aufnehmen, so habe der Befehl gelautet. Wenn es so weit sei, solle er einen "Abou Omar" bei Facebook suchen. So heißen viele. Er solle den Account anwählen, der ein bestimmtes Profilbild habe.

Doch so weit kam es nie. Im September 2016 wurde Mohamed A. mit zwei weiteren Syrern von Spezialkräften des Bundeskriminalamts verhaftet; die drei Männer, deren jüngster damals erst 17 Jahre alt war, lebten in Flüchtlingsunterkünften in Ahrensburg, Großhansdorf und Reinbek bei Hamburg. Ein ausländischer Geheimdienst hatte die Deutschen auf sie aufmerksam gemacht. Spätestens im Februar 2016 ging das Bundesamt für Verfassungsschutz davon aus, dass die drei Syrer von einem "für externe Operationen zuständigen hohen Funktionär" des IS gezielt geschickt worden seien.

Wenn das stimmt, wäre es nicht das erste Mal, dass der IS den Flüchtlingsstrom in dieser Weise ausgenutzt hat. Schon in Frankreich hatte er potenzielle Attentäter mit einem Mordauftrag ins europäische Asylsystem einschleusen können, mindestens ein Teil der Pariser Attentäter im November 2015 waren auf diese Weise gekommen. Aber es wäre das erste Mal, dass dies in Deutschland nachzuweisen wäre.

Über die Glaubwürdigkeit von Mohamed A.s Geständnis wird noch gerätselt. Reue scheint ihn nicht motiviert zu haben. Mohamed A. erzählte dem Gericht am Freitag von seiner IS-Ausbildung fast stolz. Was er sich erhofft, blieb auch seinem eigenen Verteidiger unklar, der den Redefluss Mohamed A.s verdutzt verfolgte. Ist es der Wunsch, die drohende Botschaft des IS noch etwas lauter und deutlicher an die Öffentlichkeit zu bringen: Was man in Frankreich geschafft habe, das könne man auch in Deutschland längst schaffen?

Die Beweise bleiben dünn. Mohamed A. und der Mitangeklagte Ibrahim M. besaßen gefälschte Pässe, wohl aus derselben Fälscherwerkstatt. Aber was beweist das? Und wie zuverlässig sind weitere Angaben, die von einem ungenannten fremden Geheimdienst stammen? "Zu den Quellen kann ich nur sagen, dass die Quellen geschützt sind", sagte ein Vertreter des Verfassungsschutzes, der seinerzeit zuständige Referatsgruppenleiter Bernd Adolph. Am 12. März will das Gericht sein Urteil sprechen.

© SZ vom 24.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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