Irans Bluff im Nuklearstreit:Im Marionettentheater

Billard-Diplomatie und halbgare Versprechen: Irans Bluff im Nuklearstreit ist aufgeflogen.

Paul-Anton Krüger

Der Triumph von Teheran währte nur einen Tag. Am Montag noch ließen sich Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva und der türkische Premier Recep Tayyip Erdogan in Jubelpose mit dem iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad ablichten - und erklärten Sanktionen gegen Iran für überflüssig. 24 Stunden später sind sie als Dilettanten der Diplomatie entlarvt, auch wenn US-Außenministerin Hillary Clinton ihnen höflich für ihre Bemühungen dankt.

Irans Bluff im Nuklearstreit: In Jubelpose: Der Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva (links),  der türkische Premier Recep Tayyip Erdogan (rechts) und der  iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad.

In Jubelpose: Der Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva (links), der türkische Premier Recep Tayyip Erdogan (rechts) und der iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad.

(Foto: Foto: dpa)

Was war geschehen? Die beiden Staatsmänner hatten ausgehandelt, dass Iran eine bestimmte Menge Uran preisgibt und im Gegenzug Atom-Brennstäbe für die Medizin und die Forschung erhält - ganz so, wie der Westen vor Monaten vorgeschlagen hatte, um Vertrauen für umfassende Gespräche zu schaffen. Allein: Der Deal ist löchrig, die Bedingungen ungenau, und die Austauschmenge ist mittlerweile irrelevant niedrig geworden. Sanktionen konnte der Vorstoß aber schon deshalb nicht abwenden, weil Iran sich weiter weigert, über sein Atomprogramm zu verhandeln und die Anreicherung zumindest vorübergehend einzustellen.

Während sich die beiden Staatsmänner berauscht von ihrem vermeintlichen Durchbruch wie naive Schuljungen von Ahmadinedschad vorführen ließen, nutzte Clinton das allzu offensichtlich nur inszenierte Einlenken der Iraner auf ihre Weise: Sie überzeugte die skeptischen Chinesen und Russen endgültig davon, dass neue UN-Sanktionen unausweichlich sind. Nebenbei rückte sie die Kräfteverhältnisse in der Welt zurecht.

Peking und Moskau stellen sich in der Iran-Frage nicht in den Dienst der Amerikaner. Sie ließen sich vom Mummenschanz in Teheran nicht beeindrucken, weil sie die grundlegende Analyse von Amerikanern, Briten, Franzosen und Deutschen teilen: Das Atomprogramm ist eine Bedrohung. Und sie sehen Iran in der Pflicht, den berechtigten Verdacht zu tilgen, dass am Ende dieses Programms die Bombe stehen könnte.

Wie die Staaten des Westens wollen Russland und China verhindern, dass es zum nuklearen Wettlauf im Nahen Osten kommt. Deswegen wird es das Quintett der ständigen Mitglieder im UN-Sicherheitsrat nicht hinnehmen, dass sich Iran über Völkerrecht hinwegsetzt und den Atomwaffensperrvertrag ebenso unterhöhlt wie die Autorität der Atomenergiebehörde - und nicht zuletzt die des Sicherheitsrates selbst.

Die Teheraner Show

Es liegt im Eigeninteresse der Vetomächte, ihre herausgehobene Stellung zu wahren. Hastige Harakiri-Diplomatie oder gar die Erpressungstaktik à la Iran aber helfen nicht, die überholungsbedürftige Weltordnung ausgewogener zu gestalten - im Gegenteil gefährden die aufstrebenden Staaten mit solchen Aktionen berechtigte Ansprüche auf einen Sitz am Tisch der Großen.

Die Teheraner Show vom Montag zeigt einmal mehr: Das Regime ist gegen Druck nicht immun. Mit großem Aufwand hat sich die Regierung in den vergangenen Monaten bemüht, die Geschlossenheit der Weltmächte aufzubrechen - vergebens. Vermessen wäre es allerdings zu glauben, neue Sanktionen könnten Irans geistlichen Führer Ali Chamenei zu einer neuen Politik bewegen. Seine Macht-Clique ist nicht nur bis zur Paranoia misstrauisch gegenüber dem Westen. Sie fürchtet, dass ihre Machtbasis erodiert und das System ins Wanken gerät, wenn sie im Atomstreit einlenkt und das Land öffnet. Die Sanktionen können bestenfalls die atomare Rüstung bremsen sowie den Preis erhöhen, den Iran für die Missachtung der Regeln zahlen muss.

Eine Lösung des Atomstreits wird damit nicht einfacher. Der Resolutionsentwurf bekräftigt: Die Vetomächte und Deutschland sind zu Verhandlungen bereit. Doch fehlt dafür jedes Vertrauen. Das brasilianisch-türkisch-iranische Abkommen könnte sich da noch als hilfreich erweisen. Lula und Erdogan könnten sich rehabilitieren, wenn sie Iran überzeugen, auf eine für alle Seiten akzeptable Vereinbarung einzugehen.

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