Iran und die USA:Unerhörte Macht der Ayatollahs

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Ob Amerikas Truppen im Irak bleiben dürfen, wird auch in Teheran mitentschieden.

Tomas Avenarius

Für den iranischen Staatschef Mahmud Ahmadinedschad ist es einfach: "Die Amerikaner haben bewiesen, dass sie Abkommen nicht einhalten. Wenn es um ihre Interessen geht, opfern sie ihre besten Freunde."

Trotz des Getöns Ahmadinedschads sind die Iraner vorläufig an einer US-Präsenz interessiert. (Foto: Foto: dpa)

Weshalb der Iraner seinen irakischen Nachbarn abrät, die fällige Vereinbarung zur Truppenstationierung mit den USA zu unterzeichnen. Populistisches Gerede ist Ahmadinedschads Markenzeichen, Fundamentalkritik an den USA kommt im Nahen Osten immer an. Sie verschleiert in diesem Fall aber, dass Iran seine Interessen im Irak ebenso eigennützig vertritt wie die USA.

Ahmadinedschad verschweigt, dass die Erzfeinde USA und Iran ein gemeinsames Interesse an Stabilität im Irak haben. Die Amerikaner wollen das Land halbwegs geordnet zurücklassen, damit ihr unglückseliger Krieg an Euphrat und Tigris politisch nicht ganz ungerechtfertigt bleibt. Aber auch die Iraner hätten keine Freude an einem Bürgerkrieg im Nachbarland. Stabilität garantieren im Irak können vorerst nur US-Soldaten: Das macht ein Truppenabkommen unabdingbar.

Die UN-Resolution, die die Anwesenheit der US-Armee im Irak legitimiert, läuft Ende 2008 aus. Mit dem Datum im Hinterkopf haben sich amerikanische und irakische Unterhändler auf einen Vertragsentwurf geeinigt. Der klärt den wichtigsten Punkt: Die US-Truppen sollen das Land 2011 verlassen. Natürlich halten die Amerikaner sich Hintertüren offen. Aber zweifelsohne möchten sie sich lieber heute als morgen aus dem Irak zurückziehen. Die politischen und militärischen Kosten sind auch für die Supermacht nicht mehr akzeptabel.

Lesen Sie auf der nächsten Seite mehr über die Macht der Ayatollahs und ihren Einfluss auf die Stationierung von US-Truppen im Irak.

Trotz des Getöns Ahmadinedschads sind die Iraner vorläufig an einer US-Präsenz interessiert. Sie wollen sie aber schwach halten. Als Mittel dazu benutzt Teheran die in Irak regierenden Schiiten. Die Parteien der heutigen Schiiten-Koalition aber waren sich schon in den Jahren der Saddam-Diktatur uneins: Damals kämpften sie im Untergrund, finanziert mit iranischem Geld. Bis heute unterhalten sie alle enge Kontakte zur Schiiten-Vormacht Iran. Was Teherans Einflussnahme auf die zerstrittenen irakischen Schiiten erleichtert.

Die Schiiten-Politiker selbst beschreiben sich als Führer und Vertreter rein irakischer Parteien. Deshalb übertreffen sie sich derzeit darin, den Truppenstatuts-Vertrag zu zerreden. Demnächst stehen Wahlen an: Der Vorwurf, Büttel der Amerikaner zu sein, ist ebenso vernichtend wie der Verdacht, als Marionette des im Irak ungeliebten persischen Nachbarn zu dienen. Zuallererst Iraker zu sein, lautet die Parole.

Da fast alle Schiiten-Parteien ein klares "islamisches Profil" haben, gewinnen in diesem Spiel die hohen Geistlichen eine zentrale Position. Denn die Gläubigen unter den Schiiten folgen häufig einem Ayatollah als lebenslanger Führungsfigur. Dies spiegelt sich in der Anhängerschaft der irakischen Parteien mit "islamisch-schiitischem" Profil wider. Deren Anhänger hören meist auf einen bestimmten Geistlichen, sein Wort hat Bindewirkung bei den Wählern.

Das verschafft den Ayatollahs unerhörte Macht. Einige der wichtigsten von ihnen äußern sich derzeit laut vernehmlich zum Truppenvertrag mit den USA. Sie sitzen im Irak, aber auch in den Schiitenhochburgen Iran oder Libanon. Fast alle lehnen die Anwesenheit der US-Soldaten ab. Ein Teil dieser Geistlichen hat engste theologische Beziehungen zu Iran: Auch hier hat Teheran einen Hebel, um die Entwicklung zu beeinflussen.

Washington hingegen kann praktisch keinen Einfluss nehmen auf diese innerschiitischen Netzwerke. Der Streit um das Truppenabkommen ist somit auf einer Ebene angekommen, auf der die US-Führung nicht viel mehr tun kann als den Ausgang des Streits abzuwarten. Das ist nach fünf Jahren Krieg im Irak eine weitere bittere Lektion für Washington. Und es zeigt, wie geschickt Iran seine Karten spielt im Irak.

© SZ vom 25.10.2008/akh/dmo - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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