Iran:Strafe für Enthüllung

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"Mädchen von der Enghelab-Straße": Im Dezember 2017 stieg eine Frau in Iran auf einen Stromverteilerkasten, um gegen den Kopftuchzwang zu protestieren. (Foto: Twitter)

Eine Iranerin, die aus Protest gegen die Kopftuchpflicht ihren Hijab in der Öffentlichkeit ablegte, muss für zwei Jahre ins Gefängnis. Das hat ein iranisches Gericht entschieden.

Von Paul-Anton Krüger, Kairo

In Iran ist eine Frau zu zwei Jahren Haft verurteilt worden, weil sie ihr Kopftuch in der Öffentlichkeit abgelegt hatte - aus Protest gegen die entsprechende gesetzliche Pflicht. Der Oberstaatsanwalt von Teheran, Abbas Jafari Dolatabadi, sagte laut der halbamtlichen Nachrichtenagentur Tasnim, die Frau habe im Dezember in Teheran den Hijab auf der Straße abgenommen und damit dem "sittlichen Verderben der Gesellschaft" Vorschub geleistet. Der Staat werde energisch gegen Frauen vorgehen, die "gezielt die Regeln des islamischen Schleiers infrage stellen", sagte Dolatabadi. Den Namen der Verurteilten nannte er nicht.

In sozialen Netzwerken in Iran hieß es, bei der Frau handele es sich um Vida Movahed, die als "Mädchen von der Enghelab-Straße" weltweit bekannt wurde. Sie war Ende Dezember 2017 aus Protest gegen den Kopftuchzwang auf einen Stromverteiler-Kasten in der Enghelab-Straße gestiegen, hatte ihren Hijab an einen Stock gebunden und geschwenkt wie eine Fahne. Sie wurde daraufhin festgenommen, nach weltweiten Protesten, einer Solidaritätskampagne in Iran und dem Einsatz der Menschenrechtsanwältin Nasrin Sotudeh aber nach etwa einem Monat auf Kaution vorübergehend freigelassen.

In anderen Berichten hieß es, die Verurteilte sei Nargess Hosseini. Sie war Ende Januar ebenfalls auf der Enghelab-Straße festgenommen worden, als sie dort nach dem Vorbild von Movahed protestierte. Die Angaben der Staatsanwaltschaft zum Zeitpunkt des Protests legen allerdings nahe, dass nicht sie die Verurteilte ist.

Laut der Führung in Teheran zeigen Frauen mit dem Hijab "kulturelle Unabhängigkeit"

Seit Dezember sind in Iran mindestens 36 Frauen wegen ähnlicher Proteste festgenommen worden; etlich Prozesse laufen noch. Irans Oberster Führer Ali Chamenei sagte am Donnerstag in einer Rede zum Weltfrauentag, das Kopftuch schütze Frauen davor, die sexuellen Gelüste der Männer zu wecken, und vor der "abweichenden westlichen Lebensweise", in der die primäre Aufgabe der Frau sei, den Männern gefällig zu sein. Iranische Frauen demonstrierten durch das Tragen des Hijab ihre "kulturelle Unabhängigkeit", das Kopftuch sei "keine Einschränkung". Allerdings lehnten laut einer von der Regierung veranlassten Umfrage schon im Jahr 2014 fast die Hälfte der Iraner den Kopftuchzwang ab. Präsident Hassan Rohani ließ die unter Verschluss gehaltenen Ergebnisse nach den Verhaftungen veröffentlichen.

© SZ vom 10.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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