Iran:Religiöse Ultras vor dem Wahlsieg

Überschattet vom Ausschluss vieler Reform-Kandidaten und von Boykottaufrufen des Reform-Lagers hat im Iran die Parlamentswahl begonnen. Mehr als 46 Millionen Bürger der Islamischen Republik sind aufgerufen, ihre Stimme abzugeben.

Der Urnengang ist national wie international umstritten, nachdem der von religiösen Ultras beherrschte Wächterrat mehr als 2400 größtenteils reformorientierte Bewerber von der Wahl ausgeschlossen hatte.

Der Wächterrat, eine Art Verfassungsgericht, stufte die Anschauungen der Reformer als verfassungswidrig und als Versuch ein, das islamische System zu unterminieren. Für die 290 Sitze im Parlament bewerben sich mehr als 4700 Kandidaten, die überwiegend der konservativen Staatsführung nahe stehen.

Aus Protest haben 130 Abgeordnete ihr Mandat niedergelegt. Liberale Gruppen und Studentenorganisationen kündigten einen Wahlboykott an, den auch Friedensnobelpreisträgerin Schirin Ebadi unterstützt.

Die Reformer hoffen, dass die Wahlbeteiligung in ihren Hochburgen, vor allem den Großstädten, gegenüber der letzten Abstimmung um wenigstens die Hälfte zurückgeht.

Damit scheint klar, dass die konservativen Hardliner nach ihrer Niederlage gegen die Reformer vor vier Jahren nun die Mehrheit im Parlament zurückgewinnen werden.

Einzig die Wahlbeteiligung gilt als Unsicherheitsfaktor; eine nur geringe Beteiligung würde die Glaubwürdigkeit der Parlamentarier in Frage stellen und als Bestätigung der Reformer aufgefasst, die zum Boykott der Abstimmung aufgerufen haben.

Reformzeitungen verboten

Unmittelbar vor der Wahl hatte die konservative Justiz die beiden letzten großen Reformzeitungen verboten. Jas-e-nu und Schark durften bereits am Donnerstag nicht mehr erscheinen, nachdem sie Auszüge einer Erklärung von Reformpolitikern veröffentlicht hatten, die gegen den Ausschluss der reformorientierten Bewerber vor der Wahl protestierten und dabei den obersten geistlichen Führer Ayatollah Ali Chamenei direkt kritisierten.

Die konservativen Medien stellten hingegen am Donnerstag die moralische Verpflichtung zur Wahl in den Vordergrund. Selbst nach Schätzungen der Regierung werden nur ein Drittel der 46 Millionen Wahlberechtigten ihre Stimme abgeben.

Das Verbot der beiden reformorientierten Tageszeitungen wurde von einigen Kritikern der Hardliner als Vorsorgemaßnahme gesehen, um ihnen unangenehme Berichterstattung im Falle einer geringen Wahlbeteiligung zu verhindern. Wer einen parlamentarischen Coup plane, müsse Zeitungen zum Schweigen bringen, erklärte Jas-e-nu-Kolumnist Hamidresa Dschalaeipur.

Seit Ende der 90er Jahre haben die Konservativen Dutzende liberale Veröffentlichungen in Iran verboten. Jas-e-nu und Schark wurde unter anderem vorgeworfen, die Islamische Republik zu untergraben.

Mit vorläufigen Ergebnissen aus den fast 40.000 Wahllokalen wird am Samstag gerechnet; ein vom Wächterrat gebilligtes Endergebnis wird frühestens am Sonntag veröffentlicht.

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